Wiener Kirchenrechtler Kowatsch würdigt neues Kirchenstrafrecht
Lob für die katholische Strafrechtsreform kommt vom Wiener Kirchenrechtler Prof. Andreas Kowatsch. Mit den am Dienstag bekannt gegebenen Neuerungen im Codex Iuris Canonici (CIC) werde den Verantwortlichen, insbesondere den Bischöfen, ein verbessertes Instrument zum Schutz des kirchlichen Gemeinwohls und der Interessen betroffener Gläubiger gegen schwere und schwerste Verstöße gegen die kirchliche Ordnung in die Hand gegeben, so Kowatsch in einer ausführlichen Stellungnahme gegenüber Kathpress. Inwieweit dies dazu beitragen werde, "die glaubwürdige Sendung der Kirche (wieder) zu stärken, wird von der Klugheit der Bischöfe abhängen", so der Kirchenrechtler wörtlich. Er sieht einige Verbesserungen, andere Punkte würden freilich "auch in Zukunft die kanonistische Kritik herausfordern".
Das Ergebnis der vorliegenden Strafrechtsreform sei zwar keine Totalrevision des kirchlichen Strafrechts, wohl aber eine gründliche Überarbeitung des gesamten Buches VI des CIC ("Strafbestimmungen in der Kirche"). Sei der Duktus des Strafrechts bisher so gewesen, dass die Bischöfe nichts unversucht lassen durften, die Anwendung des Strafrechts zu vermeiden, so legten die neuen Formulierungen nun nicht mehr nahe, Strafen unter allen Umständen zu verhindern. "Wenn ein Missstand trotz Ermahnung und Verweis durch den Bischof weiterhin besteht, dann muss dieser zur Anwendung des Strafrechts schreiten", betont Kowatsch.
Kein "zahnloser Tiger" mehr
"An einigen Stellen wird der bisherige zahnlose Tiger einer gründlichen kieferorthopädischen Behandlung unterzogen", drückt es der Kirchenrechtler bildhaft aus. So würden in Zukunft fakultativ angedrohte Strafen in bestimmten Fällen in obligatorisch zu verhängende Strafen umgewandelt. Dies betrifft vor allem besonders schwerwiegende Fälle. Der kirchliche Strafrichter bekomme in Zukunft ein Arsenal an möglichen Strafen zur Verfügung gestellt, das die einzelfallbezogene Ahndung von Unrecht erleichtern werde, zeigt sich Kowatsch überzeugt. Inhaltlich rage dabei die Möglichkeit von Geldstrafen heraus. Diese ließen sich freilich nur gegenüber den Klerikern exekutieren.
Einen besonderen Stellenwert soll in Zukunft auch die Wiedergutmachung eines angerichteten Schadens einnehmen, betont Kowatsch: "Der verurteilte Täter wird an insgesamt elf Gesetzesstellen verpflichtet, Schadenersatz zu leisten."
Als eine weitere wesentliche Neuerung führt Kowatsch an, dass die Nichtbeachtung einer Strafe zukünftig einen eigenständigen Straftatbestand bildet. Weiters werde ein völlig neuer Tatbestand normiert. Wer die Meldung einer Straftat unterlässt, obwohl er dazu verpflichtet wäre, mache sich strafbar. Kowatsch: "Somit macht sich in Zukunft ein Diözesanbischof, der entgegen den Normen über die der Glaubenskongregation vorbehaltenen Straftaten, eine Meldung nach Rom unterlässt, strafbar." Dies gelte nicht nur für die Bereiche des Sexualstrafrechts, sondern auch für die Delikte gegen den Glauben. Unterlässt es jemand, eine Strafe zu exekutieren, mache er sich ebenfalls strafbar.
Wirtschaft, Sakramente, Missbrauch
Neu sei auch die Einführung eines Straftatbestandes gegen kirchliche Wirtschaftskriminalität, so Kowatsch: "Dass gerade im Bereich der Vermögensverwaltung immer wieder Missstände aufgetreten sind, die die Glaubwürdigkeit der Kirche in Mitleidenschaft gezogen haben, belegt ein Blick in die jüngere Kirchengeschichte". Das neue Kirchenrecht sanktioniere nicht nur die Unterschlagung kirchlichen Vermögens, sondern auch die Veräußerung oder sonstige Verwaltung von Vermögenswerten, ohne dass die im Recht vorgeschriebenen Gremien der Mitverantwortung zu Rate gezogen oder um ihre Zustimmung angefragt worden sind. Der so Handelnde werde zum Schadenersatz verpflichtet und könne in schweren Fällen auch sein Amt verlieren. Auch Korruption im Zusammenhang mit kirchlichen Aufgaben solle zukünftig durch einen eigenen Paragrafen entgegengewirkt werden.
Der Wiener Kirchenrechtler erinnert weiters daran, dass 2007 der kirchliche Straftatbestand der versuchten Spendung des Weihesakraments an eine Frau nach den Vorgängen rund um die "Priesterinnenweihe am Donauschiff" eingeführt worden war. Das neue Strafrecht übernimmt diesen in den Abschnitt über die Delikte gegen die Sakramente und verschärfe ihn. Denn nunmehr werde ausdrücklich festgesetzt, dass der beteiligte Kleriker mit der Entlassung aus dem Klerikerstand bestraft werden kann.
Eine deutliche Verschärfung sieht Kowatsch auch in folgender neuen Norm: Wer eine Lehre vertritt, die der Papst oder ein Ökumenisches Konzil verworfen haben oder die das allgemeine Lehramt als endgültige Lehre vorgelegt hat, soll nach einer Ermahnung durch den Apostolischen Stuhl bzw. durch den eigenen Ordinarius mit einer Beugestrafe belegt werden, seines Amtes enthoben und wenn notwendig auch nicht mit weiteren Strafen sanktioniert werden. Inwieweit diese deutliche Verschärfung des Strafrechts Einfluss auf auch in Österreich geführte theologische Debatten haben wird, bleibt abzuwarten, so der Kirchenrechtler.
Erwartungsgemäß würden einige wichtige Neuerungen das kirchliche Sexualstrafrecht betreffen, führt Kowatsch weiter aus. Verstöße gegen den Zölibat blieben in verschiedenen Varianten strafbar. Gänzlich neu sei hingegen die Normierung eines umfassenden Sexualstraftatbestands: Ein Amt verliert und mit weiteren Strafen zu belegen sei jeder, der einen sexuellen Missbrauch an Minderjährigen bzw. an geistig beeinträchtigten Personen begeht. Kleriker könnten je nach Schwere des Falles aus dem Klerikerstand entlassen werden. Strafbar sei darüber hinaus das Vorführen von Pornografie an Minderjährige bzw. der Erwerb, der Besitz und die Verbreitung pornografischer Abbildungen von Minderjährigen oder geistig beeinträchtigten Menschen.
Ab 8. Dezember in Kraft
Revolutionär sei dabei, dass der Kreis möglicher Täter auf Ordensangehörige und darüber hinaus auf alle katholischen Gläubigen, die ein Amt innehaben oder sonst eine kirchliche Funktion ausüben, ausgeweitet wird. Kowatsch: "Mit dieser Einbeziehung sämtlicher Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst im weitesten Sinn in den Kreis der kirchlichen Strafbarkeit sexuellen Missbrauchs und sexueller Gewaltverbrechen wurde ein langjähriges Postulat weiter Teiler der Kanonistik in die Tat umgesetzt."
Die Arbeit an der Strafrechtsreform dauerte gut zwölf Jahre. In die Arbeiten waren Bischofskonferenzen weltweit, die Kurie und einzelne Kirchenjuristen eingebunden. Die neuen kirchenrechtlichen Bestimmungen treten mit 8. Dezember 2021 in Kraft.
Das neue Buch VI des CIC in offizieller deutschsprachiger Übersetzung als PDF ist abrufbar unter www.vatican.va/archive/cod-iuris-canonici/deu/documents/cic_libro6_ge.pdf
Quelle: Kathpress