"Islam-Landkarte" in der Diskussion
Experte: "Islam-Landkarte" mit Bewertungen "fragwürdig"
"Islam-Landkarte" in der Diskussion
Experte: "Islam-Landkarte" mit Bewertungen "fragwürdig"
Es erscheint als "fragwürdig, warum staatliche Behörden nun einseitig eine Landkarte mit flächendeckenden Informationen und Bewertungen zu allen Institutionen einer einzelnen Religionsgemeinschaft erstellen": Mit dieser Einschätzung hat sich am Dienstag Markus Ladstätter, Geschäftsführender Vorsitzender der Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, zur Debatte um die "Islam-Landkarte" der "Dokumentationsstelle Politischer Islam" zu Wort gemeldet. Der Religionswissenschaftler an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Graz kritisierte im Gespräch mit Kathpress mögliche "Bespitzelung" und hinterfragte den von der Regierung behaupteten "Service"-Charakter.
Österreich habe ein bewährtes System der Beziehungen zwischen Staat und Religion, das eine grundsätzliche Trennung bei gleichzeitiger Kooperation vorsehe und in seiner Ausgestaltung in vielem international vorbildliche Qualitäten aufweise, hielt Ladstätter fest. Mit der Landkarte liege eine Ungleichbehandlung vor. Diese als "Service" für die Muslime darzustellen, sei "schwer nachvollziehbar, da die derart 'servicierten' Personen weder den Wunsch nach dieser staatlichen Dienstleistung geäußert haben noch irgendwie sonst einbezogen worden sind".
Der Religionswissenschaftler sieht als primäre Absicht der Landkarte eine andere, die aus dem ursprünglichen - und inzwischen wieder entfernten - Text darunter klar geworden sei: "Wenn Sie Informationen zu einzelnen Vereinen oder Moscheen haben, ... schreiben Sie uns bitte an ...". Dazu Ladstätter: "Solche Impulse zu gegenseitiger Bespitzelung dienen, so wissen wir aus leidvoller Erfahrung, nicht dem gesellschaftlichen Frieden."
Die Karte sei offensichtlich als "Instrument im Kampf gegen einen 'politischen Islam'" zu verstehen. Der Theologe verwies auch auf deutschen Medien wie die "FAZ", die das Projekt als "Landkarte des politischen Islam" titulierten. Genau darin liegt laut Ladstätter das Problem: Durch die gemeinsame Präsentation von "Islam" und "Islamismus" bzw. "politischem Islam" entstehe - "ungewollt oder gewollt" - eine Vermischung dieser beiden Inhalte. Dies werde zur Belastung für alle friedlichen, gläubigen Muslime.
Aus diesem Grund sollte die plakative Formulierung "politischer Islam" überhaupt endlich aufgegeben werden, riet der Religionsdialog-Experte. Gleiches gelte für die Bezeichnung der betreffenden Dokumentationsstelle, "da sie ungeeignet ist, zwischen legitimen politischen Anliegen von (jeder) Religion und destruktiven Formen wie 'Islamismus' zu unterscheiden".
Eine grundsätzliche Orientierung über Zugehörigkeiten einzelner religiöser Gruppierungen sei nicht schlecht, sondern hilfreich, gestand Ladstätter. "Aber sollte sie nicht viel eher von der betreffenden Religionsgemeinschaft selbst erstellt werden?" Hier tue sich ein Feld auf, in dem beide Seiten - staatliche Behörden und Islamische Glaubensgemeinschaft - "unter Beweis stellen könnten, dass es ihnen mit Integration und Kooperation wirklich ernst ist".
Raab verteidigt "Islam-Landkarte"
Die österreichische Integrations- und Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) verteidigte die umstrittene Landkarte zu islamischen Organisationen indes gegen die Kritik. "Es geht hier keineswegs um einen Generalverdacht gegen Muslime", sagte Raab gegenüber der "Welt" (Dienstag). "Es geht um den gemeinsamen Kampf gegen den politischen Islam als Nährboden für Extremismus."
Auf der Karte sind mehr als 600 islamische Vereine und Moscheen in Österreich verzeichnet, inklusive der Angaben der dahinterstehenden Dachorganisationen. Islamvertreter und Opposition hatten unter anderem kritisiert, dass auf der Karte alle islamischen Einrichtungen gezeigt werden, egal ob sie islamistisch-antidemokratische Tendenzen haben oder nicht.
Die für Religionsgemeinschaften in Österreich zuständige Ministerin wies auch Kritik zurück, dass durch die Landkarte Islamvertreter einer Gefährdung ausgesetzt würden. "Wenn man jetzt sagt, man gründet zwar einen islamischen Verein, will aber nicht, dass das jemand weiß, oder gar, was man tut und wer man ist, dann zeigt das genau das Problem: nämlich, dass man doch lieber in privaten Hinterzimmern predigt." Die Karte sei auch im Interesse der Muslime, die mit extremistischen Strömungen nichts zu tun haben wollen. "Sie sollen doch auch wissen, in welche Moschee sie gehen und welche Strukturen und Ideologien dahinterstehen."
Khorchide: Streit ist konstruiert
Der österreichische, in Münster lehrende islamische Theologe Mouhanad Khorchide kann die Kritik an der von ihm mitverantworteten "Islam-Landkarte" nicht nachvollziehen. Eine solche Karte sei bereits 2009 bis 2019, also zehn Jahre lang, online gewesen und habe niemanden gestört, sagte Khorchide am Dienstag der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Nun benutzen Vertreter des politischen Islam die aktualisierte Neuauflage für eine konstruierte Skandalisierung und stellen sich einmal mehr als Opfer einer Diffamierungskampagne dar. Das ist sehr weit hergeholt", so Khorchide.
Herausgeberin der Landkarte ist die 2020 von der österreichischen Regierung gegründete "Dokumentationsstelle Politischer Islam", deren wissenschaftlichen Beirat Khorchide leitet. Die Debatte darüber sei von islamischen Repräsentanten ins Rollen gebracht worden, die fundamentalistischen Organisationen wie den Muslimbrüdern nahestünden, betonte der Theologe. Dahinter stehe die eigentliche Absicht, die Arbeit der Dokumentationsstelle in Verruf zu bringen und das Engagement gegen den Einfluss des politischen Islam in Österreich zu schwächen. Dieser behindere aktiv die Integration von Muslimen in die westliche Gesellschaft, sagte Khorchide, der das Seminar für islamische Theologie der Uni Münster leitet.
Zeitgleich mit der Karte habe die Dokumentationsstelle drei akribisch recherchierte Dossiers über den mit der türkischen Regierung verbandelten Islamverband ATIB sowie über Milli Görüs und die rechtsextremistischen Grauen Wölfe vorgelegt. "Die Lobbyisten des politischen Islam haben es mit ihrer konstruierten Empörung geschafft, dass die Medien aber nur das Thema Landkarte aufgriffen", bemängelte Khorchide.
Am Montag hatte auch der Beauftragte des Europarates gegen Antisemitismus und Islamophobie, Daniel Höltgen, die von der österreichischen "Dokumentationsstelle Politischer Islam" herausgegebene "Islam-Landkarte" kritisiert. Diese sei "muslimfeindlich und potenziell kontraproduktiv", befand Höltgen in einer Stellungnahme.
Quelle: Kathpress