Volksbegehren "Arbeitslosengeld Rauf!" mit kirchlicher Beteiligung
Mit einem Volksbegehren, dessen Einleitung ab sofort unterstützt werden kann, fordert eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung eine deutliche Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Konkret soll die Nettoersatzrate für die Bemessung der Höhe des Arbeitslosengeldes dauerhaft zumindest auf 70 Prozent angehoben werden (derzeit 55 Prozent). Entsprechend sollten auch die Notstandshilfe sofort und dauerhaft erhöht sowie Zumutbarkeitsbestimmungen für die Annahme einer Arbeit entschärft werden, wie die Proponenten des Volksbegehrens "Arbeitslosengeld Rauf!" bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien erläuterten. Unterstützt wird das Volksbegehren auch von kirchlicher Seite, u.a. von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB).
Wie der Politikwissenschaftler Prof. Emmerich Talos bei der Pressekonferenz sagte, müsse die Hälfte der Arbeitslosen mit weniger als 980 Euro im Monat auskommen, die Armutsschwelle liege aber bei rund 1.300 Euro. Und dies werde auch mit einigen Zuschlägen, etwa für Kinder, bei Weitem nicht ausgeglichen, ergänzte die Sozialwissenschaftlerin Irina Vana. Das von der aktuellen Regierung propagierte degressive Arbeitslosengeldmodell mit 70 Prozent am Anfang und dann einem Absinken auf 40 Prozent führe nur zur Ausdehnung des Niedriglohnsektors und setze vor allem, aber nicht nur, Langzeitarbeitslose einem noch höheren Armutsrisiko aus, warnten Talos und Vana.
Es brauche eine Politik, die nicht gegen die Arbeitslosen, sondern gegen die Arbeitslosigkeit gerichtet ist, forderte Norbert Bauer von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, der Zustellungsbevollmächtigter des Volksbegehrens ist.
Katholische Soziallehre
Gabriele Kienesberger, Generalsekretärin der KAB, hob bei der Pressekonferenz die Grundprinzipien der Katholischen Soziallehre hervor, u.a. Personalität und Solidarität. Es gehe um ein gutes Leben für alle, und das gehe sich für viele mit dem derzeitigen Arbeitslosengeld unmöglich aus. Davon betroffen seien nicht nur die Arbeitslosen selbst, sondern auch deren Familienangehörige, darunter unzählige Kinder, so Kienesberger. In einem der reichsten Länder der Welt sei es möglich, mehr Solidarität einzufordern und das Arbeitslosengeld entsprechend zu erhöhen, zeigte sich die KAB-Generalsekretärin überzeugt.
Auch KAB-Vorsitzende Anna Wall-Strasser unterstützt das Volksbegehren: "Jeder Mensch hat das Recht auf angemessene existenzielle Absicherung. Arbeitslosigkeit darf nicht arm machen - das widerspricht der Menschenwürde und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie", so Wall-Strasser.
Unterstützt wird das Volksbegehren auch vom Pastoraltheologen Prof. Paul Zulehner. Er betont: "Neben Pandemiegewinnern gibt es eine erheblich Zahl von Pandemieverlierenden." Die Auswirkungen der Digitalisierung und damit des Umbaus der Arbeitswelt seien durch Corona verstärkt worden. "Die Orientierung der Gesellschaft am Gemeinwohl gebietet es, den Verlierenden und ihren Familien angemessene Lebensbedingungen zu schaffen", so Zulehner. Die Verbesserung des Arbeitslosengeldes sei ein notwendiger Beitrag, "damit das Land sein menschliche Gesicht nicht verliert".
Einhelliger Tenor bei der Pressekonferenz: Eine Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent sei keine übermäßige Forderung, sondern gerade einmal internationaler Durchschnitt. Das könne sich Österreich jedenfalls leisten. Beschluss und Umsetzung lägen einzig und allein am politischen Willen.