Kirche verschärft Strafrecht bei Missbrauch und Finanzdelikten
Die katholische Kirche verschärft und präzisiert ihr Strafrecht. Mit der am Dienstag veröffentlichten Reform von Buch VI ("Strafbestimmungen in der Kirche") des Codex Iuris Canonici aus dem Jahr 1983 werden vor allem Missbrauch, Verletzung der Aufsichtspflicht und finanzielle Vergehen genauer bestimmt und stärker geahndet. Bisher habe ein falsches Verständnis von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit auch "ein Klima übermäßiger Laxheit genährt", sagte Erzbischof Filippo Iannone, Leiter des Rates für die Gesetzestexte, bei der Vorstellung des Textes im Vatikan.
So ist es nun Kirchenoberen in keinem Fall mehr freigestellt, ob sie erwiesene Vergehen bestrafen oder nicht. Auch wird sexueller Missbrauch nicht mehr als Verstoß gegen die Zölibatspflicht aufgeführt, sondern zählt wie Mord oder Abtreibung als Straftat "gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen". Mit dieser neuen Einordnung wolle man der Schwere der Vergehen besser gerecht werden, so Iannone.
Genannt werden weiter Besitz und Verbreitung von Pornografie von Minderjährigen sowie der Missbrauch von Amtsautorität bei sexuellen Vergehen gegen volljährige Untergebene. Auch wer Urteile oder Strafdekrete nicht ausführt oder Anzeigen nicht wie vorgesehen weitergibt, muss jetzt bestraft werden. Neu ist die explizite Aufnahme der Unschuldsvermutung bis zum bewiesenen Gegenteil (can. 1321 §1).
Reform gilt ab 8. Dezember
Das Unverständnis für den Zusammenhang zwischen Liebe und Strafdisziplin in der Kirche habe "in der Vergangenheit viel Schaden verursacht", räumt auch Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution ein, mit der er die Reform in Kraft setzt. Angemessene Strafdisziplin sei eine der vorrangigen Aufgaben von Bischöfen und Kirchenoberen, heißt es in der Konstitution "Pascite Gregem Dei" (Weidet Gottes Herde). In der Hinsicht habe das Strafrecht im Gesetzbuch von 1983 Erwartungen nicht erfüllt, erklärte Kurienbischof Juan Arrieta.
Die Reform von Buch VI des Codex Iuris Canonici (CIC) nimmt bereits früher erlassene Einzelgesetze und Regelungen in das allgemeine Gesetzbuch auf. Laut Iannone tritt sie am 8. Dezember in Kraft. Damit soll Diözesen und Bischofskonferenzen Zeit gegeben werden, regionale Bestimmungen anzupassen.
Fragen & Antworten
Warum hat die katholische Kirche ein eigenes Strafrecht? | |
Wie die meisten Religionsgemeinschaften hat auch die katholische Kirche ein eigenes Strafrecht, das ergänzend zum weltlichen Strafrecht angewendet wird. Es ist Teil des weltweiten katholischen Kirchenrechts (universales Kirchenrecht), das im "Codex iuris canonici" (CIC) niedergeschrieben ist. Er trat 1983 in Kraft. In den einzelnen Ländern bzw. Diözesen können die Bischöfe aber auch Spezialgesetze in Kraft setzen - sogenanntes Partikularrecht. | |
Welche Strafen kann die Kirche verhängen? | |
Anders als staatliche Gerichte kann ein Kirchengericht keine Haftstrafen verhängen. Verhängt werden "Beugestrafen", die nach Reue und Umkehr des Täters wieder aufgehoben werden müssen. Höchststrafe ist hier die Exkommunikation, also der zeitweise Verlust aller Rechte und Ämter in der Kirche. Ferner gibt es Sühnestrafen, die zeitlich befristet oder für verhängt werden können. Bei Geistlichen ist die Höchststrafe die unwiderrufliche Entlassung aus dem Klerikerstand. | |
Was ändert sich im neuen Kirchenrecht in Bezug auf sexuellen Missbrauch? | |
Erstmals wird der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen benannt als eine Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen und nicht mehr als Verstoß gegen den Zölibat, also die Pflicht der Priester zum ehelosen Leben. Missbrauch steht nun im selben Kapitel wie Mord, Vergewaltigung und Abtreibung. Die Höchststrafe für Geistliche bleibt die Entlassung aus dem Klerikerstand. Neu ist, dass auch kirchliche Angestellte oder Laien in Ehrenämtern wegen Missbrauchs kirchenrechtlich bestraft werden können. | |
Was ist sonst neu im veränderten Kirchenrecht? | |
Die Bischöfe werden erstmals rechtlich verpflichtet, das Wohl der Gläubigen durch die Anwendung von Strafgesetzen zu schützen. Eine Neuerung gibt es auch beim Kirchenvermögen: Die widerrechtliche Aneignung (auch durch einen Bischof) ist nun ebenso strafbar wie die Veräußerung von Kirchenbesitz ohne die vorgeschriebene Beratung, Zustimmung oder Erlaubnis. Ebenfalls neu ist ein erweiterter Straftatbestand der Korruption, der im Höchstfall zur Entlassung aus dem Amt führen kann. Neu geregelt sind außerdem Geldstrafen und Schadensersatzzahlungen für Kleriker und andere kirchliche Angestellte. | |
Was bedeuten die expliziten Verbote der Frauenweihe sowie der Sakramentenspendung an jene, denen der Empfang verboten ist? | |
Die Verbote sind nicht neu, stehen jetzt aber im Codex. Sollte das kirchliche Lehramt aber irgendwann feststellen, dass eine Weihe für Frauen möglich ist, etwa als Diakonin, würde das Strafrecht entsprechend geändert. Das Verbot der Sakramentenspendung an jene, denen der Empfang verboten ist, gilt nur im Fall eines formalen rechtlichen Urteils. Die Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen und Nicht-Katholiken ist somit keine rechtliche, wohl aber eine moralische und seelsorgliche. |
Vermögensdelikte schärfer geahndet
Schärfer geahndet werden vor allem Vermögensdelikte. Hier gebe es die größten Veränderungen im Vergleich zum Codex von 1983, so Iannone. Grobe Fahrlässigkeit bei der Verwaltung von Kirchengütern wird ebenso bestraft wie Veräußerung von Kirchenvermögen ohne vorgeschriebene Beratung oder Erlaubnis. Neben Strafen gibt es oft eine Pflicht zur Wiedergutmachung.
Als Delikt explizit aufgenommen wurde in den CIC aber auch der Versuch einer Weihe von Frauen (can. 1379 §3). Dazu erläuterte Bischof Arrieta, dies stelle die gegenwärtige Lehre dar. "Sollte man irgendwann zu einer anderen theologischen Einschätzung gelangen, wird auch das Recht geändert", so der Kirchenjurist. Insofern blockiere der Kanon nicht die vom Papst eingesetzte Kommission, die über den Diakonat von Frauen in der frühen Kirche forschen soll.
Ebenfalls als Delikt gilt die vorsätzliche Spendung von Sakramenten an jemanden, "dem der Empfang verboten ist" (can. 1379 §4). Letzteres gilt jedoch nur für jemanden, dem nach einem kirchenrechtlichen Verfahren der Sakramentenempfang formal untersagt wurde, wie Arrieta erklärte. Der Kommunionempfang von Christen anderer Konfession oder wiederverheiratet Geschiedener etwa sei eine moralische, keine rechtliche Angelegenheit, so der Sekretär des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte. In beiden Fällen wolle der kirchliche Gesetzgeber keine "Schrauben anziehen", fügte Erzbischof Iannone hinzu. Dies sei einfach Sachstand.
Unter Sühnestrafen nun auch Geldbußen
Da die Kirche keine Freiheitsstrafen verhängen kann - nur der Vatikanstaat hat ein Gefängnis -, regelt sie Beugestrafen wie Exkommunikation oder Suspension genauer. Unter den Sühnestrafen werden nun auch Geldstrafen genannt sowie der ganze oder teilweise Entzug von Gehaltsansprüchen. Für mögliche Straferlasse werden schließlich genauere und höhere Hürden festgelegt.
Die Arbeit an der Strafrechtsreform dauerte gut zwölf Jahre. Den formalen Anstoß dazu gab Papst Benedikt XVI. 2009. In die Arbeiten waren Bischofskonferenzen weltweit, Ordensobere, die Kurie und einzelne Kirchenjuristen eingebunden.
Neues Buch VI des CIC in offizieller deutschsprachiger Übersetzung als PDF abrufen
Quelle: Kathpress