Schönborn: Flüchtlingsschicksal früherer Generationen nicht vergessen
Kardinal Christoph Schönborn hat dazu aufgerufen, geflüchteten und migrierten Menschen in Not stets mit Mitgefühl zu begegnen. Auch das Gedenken an das Schicksal der eigenen Vorfahren verpflichte dazu, sagte der Wiener Erzbischof am Dienstagabend in der Wiener Karlskirche, wo er gemeinsam mit Kardinal Dominik Duka und der katholischen tschechischen Gemeinde Wiens einen Festgottesdienst zum 300. Jahrestag der Seligsprechung des böhmischen Heiligen Johannes Nepomuk (1350-1393) feierte. Schönborn selbst stammt aus Böhmen, flüchtete jedoch mit seiner Familie von dort nach Österreich - im Herbst 1945, als er erst neun Monate alt war.
In seiner Predigt erinnerte der Kardinal an die mehrmaligen Migrationen aus dem heutigen Tschechien im Lauf des 20. Jahrhunderts. Bereits um 1900 seien an die 300.000 seiner Landsleute nach Wien gekommen. "Die Menschen haben damals ihre Heimat und alles verlassen, um bessere Arbeit und Lebensverhältnisse zu finden", sagte Schönborn. Die Bedingungen für diese Gruppe seien in der Hauptstadt der Habsburgerreichs jedoch ärmlich und von einer "neuen Not" geprägt gewesen. Dass Wien damals zum "Schmelztiegel" vieler Völker der Monarchie wurde, sei bis heute in den Telefonbuch-Namenslisten ablesbar.
Nach den Jahren der "fanatischen Ideologie des Nationalsozialismus", die auch für die damalige Tschechoslowakei "unendlich viel Not und Leid" gebracht habe, habe nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine große Fluchtbewegung eingesetzt; es gelte an diese "ohne Bitterkeit und auch ohne Ressentiments" zu erinnern, betonte Schönborn. Ähnlich die Situation nach dem "Prager Frühling" 1968, als sowjetische Panzer kamen und erneut Abertausende Tschechen die Heimat verlassen mussten, um nicht Verfolgung oder das "bittere Joch der Unfreiheit" auf sich nehmen zu müssen.
Neue Heimat
"Jeder von Ihnen kann Geschichten zu dieser Geschichte erzählen", so der Kardinal in Richtung der tschechischen Gemeinde, und im Nachsatz: "Wir sind alle in der einen oder andere Weise Migranten." Dieser Umstand solle auch daran erinnern, dass auch heute weltweit Millionen Menschen alles verlassen müssten. Auch wenn man die Not der Flüchtlinge nicht lösen könne, zumindest Mitgefühl könne ihnen jeder Mensch erweisen. Weiters gelte es darauf hinzuwirken, "dass dieses 21. Jahrhundert nicht die Schrecken des 20. Jahrhunderts wiederholt".
Auch die herausragende Bedeutung des intensiven Glaubenslebens für die Migranten strich der Wiener Erzbischof hervor. Die Tschechen hätten bei ihrer Auswanderung und Flucht zwar oftmals alles daheim zurückgelassen, ihren Glauben an Gott als ihren "kostbarsten Besitz" jedoch mitgebracht. Durch die Not der Jahre sei dieser Glaube noch gewachsen und gereift, und viele seien darum bemüht gewesen, ihn auch ihren Kindern und Enkeln weiterzugeben, denn: "Letztlich ist der Glaube unsere Heimat. Wer im Glauben ist, ist nie allein, sondern hat eine Familie", sagte Schönborn.
Die in deutscher und tschechischer Sprache gefeierte Festmesse war von der tschechischen Gemeinde Wien gemeinsam mit dem ritterlichen Kreuzherrenorden mit dem roten Stern und der Botschaft der Tschechischen Republik in Österreich organisiert worden. Der "Brückenheilige" Nepomuk sei auch eine starke kulturelle Verbindung zwischen Österreich und Tschechien, hieß es bei dem Gottesdienst, der vom renommierten tschechischen Kinderchor Boni Pueri musikalisch gestaltet wurde; nach der Festmesse spielte ein Ensemble der Militärmusik des Gardebataillons Wien auf dem Karlsplatz. Wie Kirchenrektor Marek Pucalik abschließend erklärte, soll der begonnene Austausch fortgesetzt und die Nepomuk-Messe zum Fixpunkt auch in den nächsten Jahren etabliert werden.
Populärer Brückenheiliger
Der böhmische Priestermärtyrer Johannes von Nepomuk (1345-1393) war vor 300 Jahren, am 31. Mai 1721, von der katholischen Kirche seliggesprochen worden; acht Jahre später erfolgte die Heiligsprechung. Der unter dem Namen Johannes Welflin in der Kleinstadt Nepomuk bei Pilsen geborene Sohn einer deutsch-böhmischen Familie ist weithin als "Brückenheiliger" bekannt, nachdem er am 20. März 1393 wegen seines Widerstands gegen die staatliche Macht von der Prager Karlsbrücke in die Moldau gestürzt und ertränkt wurde. Als Generalvikar von Prag hatte er mit anderen Geistlichen die Rechte der Kirche gegen den Zugriff des aus dem Luxemburger Haus stammenden Königs Wenzel IV. verteidigt.
Die Leiche des im Wasser Treibenden soll der Legende nach von fünf Flammen bzw. "hell glänzenden Wunderzeichen" umsäumt gewesen sein, weswegen Johannes Nepomuk oft mit fünf Sternen um sein Haupt abgebildet wird. Der ans Ufer gespülte Leichnam wurde zuerst in der Prager Heilig-Kreuz-Kirche bestattet und wurde 1396 in den Veitsdom überführt. Johannes Nepomuk gilt in der katholischen Kirche auch als Patron der unschuldig Verdächtigten und der Beichtväter, zudem ist er zweiter Patron des Jesuitenordens.
Festlichkeiten in Prag und Rom
Im Gedenken an den böhmischen Heiligen fand am 16. Mai - seinem kirchlichen Festtag - bereits das traditionelle "Navalis"-Festival in Prag statt. Dabei gab es eine von Kardinal Duka geleitete Prozession auf dem historischen Königsweg über die Karlsbrücke, eine Durchschwimmung der Moldau durch "Eisschwimmer", ein Konzert sowie ein weltweit koordiniertes Läuten von 300 Glocken. In Rom wurde zum Nepomuk-Festtag in der Kapelle des päpstlichen Kollegs "Nepomucenum" der bisherige Altartisch des Brünner Peter-und-Pauls-Doms installiert, in einem Festgottesdienst mit dem in Brünn geborenen Kurienkardinal Michael Czerny.
Quelle: kathpress