Linz: Scheuer lobt österreichischen Weg der Sozialpartnerschaft
Der österreichische Weg der Sozialpartnerschaft ist ein wichtiges "Luxusgut" in Fragen der Solidarität, Gerechtigkeit und Diskursfähigkeit: Dieses Fazit haben am Freitag Diözesanbischof Manfred Scheuer, Arbeiterkammer-Oberösterreich-Präsident, Johann Kalliauer und Wirtschaftskammer-Vizepräsident, Leo Jindrak, gezogen. Sie diskutierten im Rahmen einer Online-Fachtagung an der Katholischen Privat-Universität Linz (KU) zum Thema "Solidarität trägt!? Katholisch-soziale Ideen im Härtetest". Der coronabedingte Transformationsprozess in Gesellschaft und Wirtschaft müsse nun dafür genutzt werden wichtige soziale und ökologische Standards endlich umzusetzen, mahnte der Linzer Bischof. So sollten etwa Gesetze und wirtschaftliches Handeln auf Sozial- und Ökologieverträglichkeit hin überprüft werden.
Die Sozialpartnerschaft sei seit dem Zweiten Weltkrieg essenziell, um gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden, wies Scheuer hin. Diese Eigenschaft der Sozialpartnerschaft, Brücken zu bauen, habe sich gerade in der Corona-Krise neu bewährt. Jedoch sollten die Interessenvertretungen von Wirtschaft und Arbeitnehmer "auch in Zeiten des Luxus nicht vergessen, dass man miteinander können muss".
Die Voraussetzung einer "halbwegs gerechten Gesellschaft ist, dass Stärkere auf Schwächere schauen", wies der Bischof hin. Dies impliziere u. a., dass Arbeitslose in Sachen Bildung und Empowerment stärker gefordert werden und arbeitende Menschen eine höhere Wertschätzung erhalten. Gleichzeitig dürfe der Mensch nicht auf seine Arbeitsfähigkeit oder -leistung reduziert werden, forderte der Bischof.
Die Kirche sei aktuell gefordert, sich in Sachen Ökologie positiv einzubringen; als Beispiel nannte Scheuer den Ausbau von Fotovoltaikanlagen auf Gebäuden der Diözese Linz und eine Debatte rund um eine zukunftsfähige Mobilität und Kommunikation im Rahmen der neuen Pfarrstrukturen. Ziel sei es, dass diese Neuerungen nicht auf Kosten der Menschen und Umwelt gehen, so Scheuer. Die Transformationsprozesse - egal ob in Kirche oder Wirtschaft - benötigten jedoch Zeit, Vertrauen und "starke Persönlichkeiten"; letztere hätten die Aufgabe andere zu ermächtigen und zu motivieren.
Kirche als Mahnerin
Die Kirche sei eine Mahnerin in puncto sozialer Gerechtigkeit und eine Anwältin für jene Menschen, "die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind", meinte WKOÖ-Vizepräsident Jindrak auf die Frage nach der Rolle der Kirche vonseiten der Wirtschaft. Kritisch betrachtete der Unternehmer das aktuelle "schwarz-weiß Denken" der Gesellschaft, hierbei erwarte er sich von der Kirche das Setzen eines Kontrapunkts. Ziel sei es, dass sich möglichst "viele Menschen guten Willens" einbringen, so Jindrak, der u. a. auf die hohe Verantwortung von Unternehmern gegenüber Mitarbeitenden, Auftraggebern und Umwelt hinwies.
Ähnlich der AK-OÖ-Präsident Kalliauer, der zur Besinnung von AK, WKO und Kirche auf ihre gemeinsamen Linien aufrief. Die Kirche sei in ihren gesellschaftlichen Grundpositionen jedoch oft deutlicher als die österreichischen Interessenvertretungen, "die in Kompromissen denken müssen", meinte der AK-Präsident, der die Kirche in vielen sozialen Anliege als eine Mitstreiterin bezeichnete. Das gemeinsame Vertreten von Themen müsse jedoch ohne gegenseitige Vereinnahmungen geschehen. Auch hier gelte es, "respektvoll mit der Partnerschaft umzugehen" und sich vonseiten der AK "nicht inflationär auf die katholische Soziallehre zu berufen", selbst wenn sie mit vielen AK-Forderungen übereinstimme, merkte Kalliauer an.
Im Vorfeld der Podiumsdiskussion hielten der katholische Theologe und Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe), Markus Schlagnitweit und die an der KU Linz lehrende Sozialethikerin Katja Winkler Vorträge über die Aktualität der katholischen Soziallehre angesichts sozialpolitischer Debatten der Gegenwart.
Die Veranstaltung stand u.a. im Zusammenhang mit dem Aktionsjahr "Christlich sein. Perspektiven für eine lebenswerte Welt" der Katholischen Aktion Österreich. Das Aktionsjahr stellt die Katholische Soziallehre seit ihrer "Begründung" vor 130 Jahren in den Mittelpunkt. Vor 130 Jahren, am 15. Mai 1891, veröffentlichte Papst Leo XIII. (1878-1903) das erste päpstliche Rundschreiben zur Arbeiterfrage. Die Enzyklika mit dem Titel "Rerum novarum" (Über die neuen Dinge) wurde zum grundlegenden Dokument einer systematischen und zeitgemäßen Positionierung der katholischen Kirche zu sozialen und gesellschaftlichen Fragen. (Infos: www.soziallehre.at)
Quelle: kathpress