Jüdisches Museum Hohenems zeigt Ausstellung "Die letzten Europäer"
Bis zum 3. Oktober 2021 ist im jüdischen Museum Hohenems die Ausstellung "Die letzten Europäer" zu sehen. Sie bietet einen Einblick in die Geschichte der jüdischen Familie Brunner und wirft die Frage auf, inwieweit Juden zur Idee und Umsetzung der europäischen Integration beigetragen haben. Ausgangspunkt ist der Nachlass von Carlo Alberto Brunner (1933-2014), den das Vorarlberger Museum von dessen Nachkommen als Dauerleihgabe erhielt. Die Exponate ermöglichen Interessierten einen Blick auf 300 Jahre jüdische Familiengeschichte und ein europäisches Zeitalter, das in Krieg und Zerstörung endete.
Im Nachlass befinden sich Briefe, Dokumente, Erinnerungsstücke und Alltagsgegenstände vieler Generationen der Familie Brunner. Sie bezeugen die frühe Präsenz der Idee eines vereinten und in verschiedener Hinsicht miteinander verbundenen Europas. Das Jüdische Museum Hohenems beleuchtet, welche Rolle Juden in der wirtschaftlichen und kulturellen Einigung Europas spielten und ob es sich bei ihnen sozusagen um die "letzten Europäer" handelt, die diesen vereinigenden Geist verkörpern.
Ein Zusatzprogramm widmet sich aktuellen Tendenzen, die den europäischen Einigungsprozess gefährden, macht aber auch auf Chancen aufmerksam und thematisiert zukunftsweisende und überkommene Gesellschaftskonzepte. Der Ausstellungs-Untertitel "Jüdische Perspektiven auf die Krisen einer Idee" bietet zudem ein breites Diskussionsprogramm, in dem über Themen der Gegenwart reflektiert wird, darunter die Situation Geflüchteter in Griechenland oder die Schließung der Budapester "Central European University" durch die Regierung Orban. Im Mai wird ein Online-Vortrag mit dem deutschen Politikwissenschafter Jens Hacke angeboten, im Juni folgen Beiträge des britischen Philosophen Brian Klug und des israelischen Soziologen Natan Sznaider.
"Die Idee war, dass sich die Ausstellung über den Ausstellungszeitraum hinweg durch neue Beiträge verändert", sagte Hanno Loewy, Leiter des Jüdischen Museums Hohenems, im Gespräch mit Kathpress. Aufgrund von Corona gab es dabei zwar Planänderungen, der gewünschte sichtbare Prozess des Ausstellungsprogramms konnte aber dennoch über das virtuelle Streaming-Angebot gewährleistet werden. Bereits im Oktober 2020 zu Beginn der Ausstellung gab Loewy im Gespräch mit Ö1 ein ausführliches Interview zu Details und Hintergründen der Ausstellung; nachzuhören auf der Homepage des Museums. Im Raum stehe auch eine Neuauflage der Ausstellung im Jüdischen Museum Wien, schilderte Loewy.
Aufstieg zu europäischer Größe
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestand die jüdische Familie Brunner aus Hohenems aus Metzgern und Viehhändlern. Einige Nachkommen wanderten um 1830 in das damals österreichische Triest aus. In sehr kurzer Zeit trugen die jüdischen Auswanderer anfangs durch Geschäfte in der Textilindustrie zum steilen Aufstieg der habsburgischen Mittelmeermetropole bei und wurden selbst zu Wirtschaftsmagnaten. Die Familie lebte und wirkte bald in ganz Europa. Mit dem Ersten Weltkrieg begann das Familienimperium zu bröckeln und fand mit dem Einsetzen der aufkeimenden rassistischen Ideologien Europas und dessen Höhepunkt im Zweiten Weltkrieg ihr Ende. Heute treffen sich Nachkommen regelmäßig und verstreut über den Globus, heißt es in einem Pressetext des Museums.
Einer detaillierten Schilderung der Familiengeschichte widmete sich Hannes Sulzenbacher in seinem Buch "Die Familie Brunner. Eine europäisch-jüdische Geschichte. Hohenems-Triest-Wien". Die Buchvorstellung findet am 25. Mai ab 18 Uhr im Beisein des Autors in Hohenems statt und wird wie die begleitenden Vorträge via Zoom und YouTube live angeboten.
(Infos: www.jm-hohenems.at/ausstellungen/aktuelle-ausstellung und www.lasteuropeans.eu)
Quelle: kathpress