Theologe sieht Billie Eilish als Anstoß zu Kirchenöffnung
Die US-Popsängerin Billie Eilish bringt als "Ikone" der heutigen Jugend in ihren Songs glaubhaft Stimmungen wie Sehnsucht nach wahrer Heimat oder Gemeinschaft zum Ausdruck und kann dadurch für die Kirche zum Anstoß werden, sich auf fremde Lebenswelten einzulassen. Diese These hat der Wiener Theologe und Autor des Erfolgsbuches "Mission possible", Otto Neubauer, in einem Online-Vortrag vertreten. Mit ihrer kreativen Verarbeitung der nicht nur bei Jugendlichen vorfindlichen "Suche nach dem Mehr" treffe der erst 19 Jahre alte Superstar den "Nerv der Zeit". Denn es stimme gar nicht, dass sich heutige Zeitgenossen gar nicht mehr für Gott interessieren, wie Neubauer sagte.
Der Leiter der Wiener "Akademie für Dialog und Evangelisation" äußerte sich im Rahmen des "Dies facultatis" der Universität Innsbruck am Dienstag, zugleich Diözesantag zum Thema "500 Jahre Petrus Canisius SJ". Er habe sich mit der Musik und den Texten Billie Eilishs zuletzt intensiv auseinandergesetzt, sein anfänglicher "Verdacht einer oberflächlichen Emotionalisierung" habe sich beim genauen Hinhören bald zerstreut, erzählte Neubauer. Er zitierte aus einem Interview mit der Songwriterin, die bei ihren Konzerten keine "Fans" sehe, sondern jungen Menschen mit denselben Gefühlen und Problemen wie sie selbst sie habe.
Neubauer erinnere das, wie er sagte, an die Anfangsworte des Konzilskonstitution "Gaudium et spes", wonach die Kirche die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute teilen wolle. Mission könne heute nur bedeuten, sich auf die Lebenswirklichkeit der Menschen einzulassen, unabhängig davon, wie nahe sie der Kirche stehen. Dabei dürften die Kirche und ihre Vertreter nicht der Täuschung erliegen, "besser zu sein als andere und leichtfertig über andere in der Welt zu urteilen". Jesus selbst sei als Freund der Sünder und Geldeintreiber denunziert worden, auch heutige Christen sollten als Freunde von Menschen gelten, an denen sie sich vermeintlich schmutzig machen.
Neubauer plädierte dafür, Menschen nicht zu kategorisieren, sondern "Weggefährte" zu sein. Manche davon, wie ein mit ihm befreundeter, lange beharrlich agnostischer SPÖ-Politiker, würden dann zum Glauben finden. Der Betreffende sei zwar kein braver Kirchgänger geworden, nachdem es ihn - wie er sagte - "erwischt" hatte, aber er sehe sich als "Freund Jesu", der immer wieder auch in der Wiener "Gemeinschaft Emmanuel" Neubauers präsent sei. Dass es solche christliche Gemeinschaften gibt, sei wichtig für Gastfreundschaft und familiäre Anschlussfähigkeit, so der Theologe.
"Auch fremder Boden trägt"
Auch der danach referierende Innsbrucker Pastoraltheologe Christian Bauer hält es für notwendig, dass sich die Kirche für "außen" öffnet und aus verschlossenen Systemen ausbricht. Im Missions-Teil des "Dies facultatis" stellte er die auf Johannes Paul II. zurückgehende "Neuevangelisierung" der älteren, auf Paul VI. und von Franziskus aufgegriffenen "Evangelisierung" gegenüber. Erstere setze beim Vermitteln des Glaubens auf monologisches Lehren und auf Fremdbekehrung, letztere auf dialogisches Lernen und "Eigenbekehrung": Nicht erst die Missbrauchsskandale hätten gezeigt, dass Sündhaftes auch im Inneren der Kirche und nicht nur im "Vorhof der Heiden" zu finden sei.
Bauer griff ein Symbol auf, das beim Innsbrucker Jubiläum "500 Jahre Petrus Canisius SJ" eine Rolle spielt: Die Pilgerschuhe des Jesuiten der Gegenreformationszeit, die nun ein Tiroler Schuster nachfertigte, sollten als Impuls dienen, als Kirche "nicht bei uns selbst zu bleiben", sondern wie der wanderfreudige Canisius in die Welt hinauszugehen. "Auch fremder Boden trägt", so Bauer.
(Der "Dies facultatis" zum Nachhören: www.youtube.com/watch?v=2_iyt1OIY70)
Quelle: kathpress