Polak: "Heute religiös sein heißt, interreligiös zu sein"
"Heute religiös sein heißt, interreligiös zu sein": Unter diese These hat die Wiener Theologin Regina Polak am Dienstag ihre Ausführungen beim "Dies facultatis" der Universität Innsbruck, zugleich Diözesantag "500 Jahre Petrus Canisius SJ", gestellt. Damit sei gemeint, dass es in einer religiös pluralen Welt unausweichlich ist, interreligiös zu sein, d. h. positive Beziehungen zu Gläubigen anderer Religionen oder auch zu Areligiösen zu haben. Die heutigen Gesellschaften, die auch aufgrund der Migrationsströme religiös immer heterogener werden, erfordern von den Katholikinnen und Katholiken eine hohe Bereitschaft zum echten Dialog mit Andersdenkenden, betonte Polak im Rahmen der Online-Veranstaltung.
Die Pastoraltheologin, die auch als OSZE-Sonderbeauftragte im Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, mit Fokus auf Christen und Angehörige anderer Religionen, engagiert ist, forderte kirchlicherseits Bildungsangebote über andere Religionen für seelsorglich Tätige und Gläubige, "damit Vorurteile ausgeräumt werden können und der religiöse Relativismus überwunden wird". Es gelte auch Abschottungen und ungerechtfertigte Ängste entgegenzuwirken, die "Barrieren errichten wie auch Unverständnis und Gewalt provozieren", mahnte Polak.
Die mit der Auswertung der jüngsten Europäischen Wertestudie befasste Theologin nannte die zunehmende Islamfeindlichkeit in Österreich als Herausforderung, der mit interreligiösem Dialog zu begegnen sei; nach wie vor präsent seien auch verschiedene Formen des Antisemitismus. Zugrunde liege dem eine "Ideologie der Ungleichheit", die sich im Kontext von Abstiegsängsten, Perspektivlosigkeit und politischer Ohnmacht gegen religiöse Diversität richte und auch zwischen ökonomisch "nützlichen" und "nutzlosen" Menschen unterscheide.
Interreligiöser Dialog "empirisch notwendig"
Angesichts dessen sei interreligiöser Dialog "eine empirische Notwendigkeit", so Polak. Die Christen müssen dafür erst gewonnen werden, auch wenn die Katholische Kirche die einzige Religionsgemeinschaft sei, die über eine auf Universalität hin angelegte lehramtliche Theologie dieses Dialogs verfüge. Das Judentum wie auch der Islam kenne eine derart verbindliche Autorität nicht, die sich etwa im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) wertschätzend über andere Religionen äußerte. Für Christen gebe es somit neben soziologisch-gesellschaftspolitischen Argumenten auch theologisch gute Gründe für interreligiösen Dialog, führte Polak aus: "Pluralität hat ihren Ursprung im Schöpfungswillen Gottes, der jeden Menschen als sein Ab- und Ebenbild schafft."
Die Theologin unterschied verschiedene Ebenen des interreligiösen Dialogs, der nicht nur auf Expertenebene zu führen sei. "Ort der Bewährung" sei jedenfalls die Ebene des Alltags mit wechselseitiger Wahrnehmung und Kommunikation bis hin zu Einladungen. Beim "Dialog des Handelns" gehe es um gemeinsamen Einsatz für Friede, Freiheit, Gerechtigkeit oder Umwelt. Der Dialog des theologischen Austausches der Experten und Religionsvertreter sei zu ergänzen durch jenen der spirituellen Erfahrung und Praxis. Sich etwa beim gemeinsamen Beten auf die spirituelle Erfahrung des Anderen einzulassen ist laut Polak die schwierigste Ebene.
Sie zitierte aus der 34. Generalversammlung des Jesuitenordens, der als Maxime festhielt: "Kein Dienst am Glauben ohne Förderung der Gerechtigkeit, Eintritt in Kulturen, Offenheit für andere religiöse Erfahrungen." Freilich: Interreligiöser Dialog sei kein "Allheilmittel" und "keine harmonische Idylle", politische Probleme müssten politisch gelöst werden, so Polak. Sehr wohl aber könne dieser Dialog zur Suche von Problemlösungen beitragen.
Wege zu Gott sind vielfältig
Der Innsbrucker Dogmatiker Prof. Roman Siebenrock erinnerte in seinem Statement an den emeritierten Papst Benedikt XVI., der auf die Frage, wie viele Wege es zu Gott gibt, einmal geantwortet habe: "So viele wie es Menschen gibt." Durch seine unlösbare Verwurzelung im Judentum und die spätere Ausrichtung auf die "Heiden" bzw. Nichtjuden sei das Christentum konstitutiv interreligiös, sagte Siebenrock.
Als Beispiel für eine spirituell begründete Offenheit für unterschiedliche Glaubenswege verwies der Theologe auf die 1943 von Chiara Lubich gegründete Fokolarbewegung. Dieser können den im Jahr 2007 vom Vatikan approbierten Statutenänderungen zufolge Menschen aus unterschiedlichen Konfessionen, Religionen und auch nichtreligiösen Weltanschauungen angehören - und dies auch im innersten Kreis. Zur vom Dialog zu unterscheidenden Mission erklärte Siebenrock, nach den Worten Lubichs müsse sie Maß am armen, machtlosen Jesus nehmen, nicht am herrschenden Pantokrator. "Das Christentum wird zerstört, wenn es im Schatten der Macht kommt", betonte Siebenrock.
Quelle: kathpress