Indien: Salesianerorden stellt sich auf "Corona-Tsunami" ein
Indien hat sich in den vergangenen Tagen zum Hauptschauplatz der Corona-Pandemie entwickelt: Mit derzeit über 350.000 offiziell gemeldeten Fällen pro Tag findet aktuell fast jede zweite Neuinfektion auf dem Subkontinent statt, wobei die Virusmutation B.1.617 als Auslöser gilt. Eine weiterer deutlicher Anstieg dieses "Tsunamis" in den kommenden Wochen sei absehbar, da der Höhepunkt der zweiten Pandemie-Welle im Land noch gar nicht erreicht ist, berichtete vor Ort der indische Ordensmann P. Noel Maddhichetty, Direktor des Don Bosco Network South Asia, am Dienstag gegenüber "Jugend Eine Welt". Das österreichische Hilfswerk hat eine Spendenkampagne für die am meisten betroffene Bevölkerung gestartet.
Drei Viertel (74 Prozent) der indischen Neuinfektionen entfallen auf zehn Bundesstaaten, darunter die Hauptstadt Neu Delhi, der mit mehr als 200 Millionen Menschen bevölkerungsreichste Bundesstaat Uttar Pradesh und Westbengalen. Das Gesundheitswesen sei zusammengebrochen, da man nicht auf die Katastrophe vorbereitet war, schrieb die "Times of India" am Sonntag. Menschen bettelten um Hilfe, während sie auf der Suche nach einem Bett, nach Sauerstoff, Medikamenten, Ambulanzen oder gar Leichenwagen von einem Krankenhaus zum anderen rannten. Viele Krankenhäuser hätten jedoch aus Mangel an Sauerstoff die Aufnahme neuer Patienten bis auf Weiteres gestoppt.
Erneut steht in Indien derzeit das öffentliche Leben still, mit drastischen Folgen. In der ersten Corona-Welle im Vorjahr zählten Straßenkinder, Wanderarbeiter und deren Familien zu den besonders Leidtragenden. Nun gilt abermals: "Wer nicht vorsorgen konnte, steht vor großen Problemen", warnte P. Maddhichetty. Der Salesianerorden, der in Indien als größte katholische Ordensgemeinschaft 354 NGOs betreibt, war bereits bei der ersten Pandemie-Welle für diese Gruppen intensiv im Einsatz. Über sieben Millionen bedürftige Menschen wurden seither mit Essens- und Hygienepaketen versorgt. "Jetzt wird der Bedarf noch einmal um ein Vielfaches größer sein", begründete "Jugend Eine Welt"-Geschäftsführer Reinhard Heiserer die erneut anlaufende Hilfskampagne für die Projektpartner.
Corona-Testkits, Impfstoffe und Medikamente würden derzeit laut Salesianerpater Maddhichetty besonders dringend benötigt, seien doch viele Menschen in ländlichen Gebieten nicht getestet. Priester hätten ihm von Dörfern nahe Mumbai berichtet, in denen viele Bewohner Symptome hätten, ohne dass Tests verfügbar wären, erklärte der Ordensmann. Auch der Zugang zu ärztlicher Betreuung und Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern fehle, weshalb man von einer hohen Dunkelziffer an Infizierten und Sterbefällen ausgehen müsse. Keine kurzfristige Lösung wird es für die Schülerinnen und Schüler der landesweit 360 Schulen und 500 Einrichtungen des Don Bosco Netzwerkes geben, die allesamt schließen mussten: Selbst Abschluss-Examen können derzeit nicht absolviert werden, zudem sind viele Lehrpersonen, Mitarbeiter und deren Familien selbst an Corona erkrankt und in Quarantäne.
Seit Beginn der Pandemie wurden in Indien 17,3 Millionen Covid-Infektionen registriert, 14,1 Millionen Personen gelten als genesen, knapp 200.000 Menschen starben. 138 Millionen der 1,3 Milliarden Inder haben die erste Dosis eines Corona-Impfstoffs erhalten, doch erst 18 Millionen (1,6 Prozent) sind vollständig geimpft. Auch die katholische Kirche ist massiv von der zweiten Pandemiewelle betroffen: Allein zwischen Dienstag und Freitag der Vorwoche verstarben 14 Priester an einer Corona-Infektion, seit Anfang April mindestens 20, berichtete das katholische Nachrichtenportal "Matters India" am Wochenende.
(Weitere Infos: www.jugendeinewelt.at, Spendenkonto: Jugend Eine Welt, IBAN: AT66 3600 0000 0002 4000)
Quelle: kathpress