20 Jahre "Charta Oecumenica": Theologe betont bleibende Bedeutung
Vor 20 Jahren, am 22. April 2001, wurde in Straßburg die "Charta Oecumenica" unterzeichnet. Die christlichen Kirchen Europas haben sich darin verpflichtet, das Friedensprojekt Europa gemeinsam voranzubringen. Das Dokument enthält Leitlinien für eine verstärkte Zusammenarbeit in kirchlicher, sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Hinsicht. Der Grazer orthodoxe Theologe, Prof. Grigorios Larentzakis, hat am Dienstag in einer Aussendung des Pro Oriente-Informationsdienstes nicht nur betont, dass das Dokument nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat, sondern dass vieles darin noch der Umsetzung in die Praxis harrt.
Viele angesprochenen Herausforderungen hätten sogar an Schärfe und Dringlichkeit - nicht zuletzt durch Corona - zugenommen, so Larentzakis. Er war selbst maßgeblich an der Vorbereitung des Dokuments beteiligt. "Die Menschen benötigen dringend Hilfe und Beistand, aber nicht nur materiell, sondern auch psychisch, einfach menschliche Solidarität. Genau in diesem Bereich und zwar heute, nicht erst morgen, haben die Kirchen, alle Kirchen, eine gemeinsame unabdingbare Verantwortung", zeigte sich der orthodoxe Theologe - er ist auch Vize-Vorsitzender der steirischen Pro Oriente-Sektion - überzeugt. Larentzakis: "Wir haben keine Dokumenten-Not, sondern eine Rezeptions- und Umsetzungsnot." Es brauche "mutige und effektive Taten", die Charta Oecumenica warte "auf mehr Bekanntmachung, Rezeption und Umsetzung".
Gegen Nationalismus und für Gewaltfreiheit
Larentzakis wies in der Aussendung auf einige zentrale Aussagen der Charta Oecumenica hin: Die Kirchen würden sich zu verstärkten ökumenischen Bemühungen verpflichten. Es gelte, "die Begegnung miteinander zu suchen und füreinander da zu sein; ökumenische Offenheit und Zusammenarbeit in der christlichen Erziehung, in der theologischen Aus- und Fortbildung sowie auch in der Forschung zu fördern", wie es wörtlich in dem Dokument heißt. Missverständnisse und Vorurteile zwischen Mehrheits- und Minderheitskirchen in den einzelnen Ländern müssten abgebaut werden.
Die Kirchen verpflichten sich in dem Dokument zudem wörtlich "füreinander und für die christliche Einheit zu beten; die Gottesdienste und die weiteren Formen des geistlichen Lebens anderer Kirchen kennen und schätzen zu lernen; dem Ziel der eucharistischen Gemeinschaft entgegenzugehen". Die Kirchen verpflichten sich weiters, ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen und u. a. gemeinsam allen Versuchen zu widerstehen, die Religion und Kirche für ethnische oder nationalistische Zwecke zu missbrauchen. Ebenso gelte es für die Kirchen, jeder Form von Nationalismus entgegenzutreten, die zur Unterdrückung anderer Völker und nationaler Minderheiten führt. In Konflikten müssten gewaltfreie Lösungen gesucht werden.
Eine weitere Aufgabe für die Kirchen betreffe die Gleichberechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen. Unumgänglich sei auch der gemeinsame Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung. Gemeinsame Verpflichtung aller Kirchen sei es zudem, jeglichen Formen von Antisemitismus und Antijudaismus in Kirche und Gesellschaft entgegenzutreten und auf allen Ebenen den Dialog mit dem Judentum zu suchen und zu intensivieren. Ebenso gelte es, u. a. den Dialog mit dem Islam zu pflegen.
Die Entstehungsgeschichte des Dokuments beginnt mit einem entsprechenden Vorschlag der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung (EÖV2) in Graz im Juni 1997. Im Zuge der Auswertung von Graz wurde, nach vorbereitenden getrennten Beschlüssen, von einem gemeinsamen Ausschuss der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und des Rates der katholischen Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) in Rom im Februar 1998 die Realisierung des Vorschlags beschlossen. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe berufen: Vonseiten der KEK war u.a. Prof. Larentzakis mit dabei und federführend an der Redaktion des Dokuments beteiligt. Dieses wurde schließlich am 22. April 2001 in Straßburg vom Prager Kardinal und damaligen CCEE-Präsidenten Miloslav Vlk und vom damaligen KEK-Präsidenten und Pariser Metropoliten Jeremias Kaligiorgis unterzeichnet.
Quelle: kathpress