Ertrunkene Flüchtlinge: Gebete gegen Europas Gleichgültigkeit
Mit einer internationalen Gebetswache in mehreren europäischen Städten hat die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio der jüngst vor Libyen ertrunkenen 130 Migranten auf dem Mittelmeer gedacht. Neben Städten wie Rom oder Berlin gab es am Montag auch in Innsbruck ein Abendgebet für die Opfer sowie für eine andere europäische Migrationspolitik. Rund 50 Teilnehmer, unter ihnen Vertreter der Diözese Innsbruck, der Friedensbewegung Pax Christi und der Plattform "So sind wir nicht", beteten dabei in der Spitalskirche gemeinsam, "dass wir nicht stumm bleiben angesichts der Tragödien an der EU-Außengrenze", wie die Sant'Egidio-Österreich-Koordinatorin Vera Merkel am Dienstag im Gespräch mit Kathpress sagte.
Bilder von Menschen, die in Schlauchbooten um ihr Überleben kämpfen, und ein Bericht des Schauspielers Nick Neureiter, Initiator der mittlerweile im gesamten deutschen Sprachraum verbreiteten Protestcamps "Wochenenden für Moria", verdeutlichten bei dem Abendgebet die dramatische Lage der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer und in Flüchtlingslagern wie auf Lesbos. Martin Lesky von der Diözese Innsbruck erinnerte an die Warnungen von Papst Franziskus vor einer "Globalisierung der Gleichgültigkeit".
Auch eine gemeinsame Trauerprozession unter Wahrung der Corona-Sicherheitsmaßnahmen war Teil der Veranstaltung in Innsbruck. "Wir hoffen, dass der traurige Anlass Aufschwung gibt, um eine Aufnahme von Flüchtlingen in Österreich auf legalem Weg zu erreichen", so Sant'Egidio-Koordinatorin Merkel.
Rom: Kritik an Gleichgültigkeit
"Ihre Schreie, die sich zum Himmel erhoben, waren nicht genug gegen die Gleichgültigkeit italienischer, maltesischer und libyscher Behörden und der von uns allen", gedachte Pfarrer Marco Gnavi in Rom beim zentralen Abendgebet in der Kirche Santa Maria in Trastevere der vor Libyen ertrunkenen Menschen.
"Das Kreuz von Lampedusa auf dem Altar", so Gnavi, "erinnert an die Verzweiflung, die Angst der Männer, Frauen und Kinder, die am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche verzweifelt auf Hilfe warteten". Nach Aussage von Hilfsorganisationen hatten Behörden auf die Hilferufe mehrerer Schlauchboote nicht reagiert; Schiffe zur Rettung seien daher zu spät gekommen.
Papst Franziskus hatte nach dem neuerlichen Bootsunglück die europäische Untätigkeit ebenfalls kritisiert. "Es ist eine Schande", sagte das Kirchenoberhaupt am Sonntag beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz in Rom. Die Betroffenen hätten tagelang vergebens um Hilfe gefleht.
"Drama, das schon seit Jahren anhält"
Die Tragödie verlange erneut Initiativen, sagte der Generalsekretär von Sant'Egidio, Cesare Zucconi, in einem Gespräch mit Radio Vatikan. Eine erste Initiative sei "diese Gebetswache für die Opfer", so Zucconi. Die zweite müsse endlich eine Verhaltensänderung in Europa sein angesichts eines "Dramas, das schon seit Jahren anhält".
Bereits zuvor hatte Sant'Egidio an die Verantwortlichen appelliert, alles zu tun, um Migranten in Seenot zu retten. Zudem müssten mit Blick auf die besorgniserregende Lage in Libyen mehr legale Einreisemöglichkeiten in die EU geschaffen werden. Als Beispiel verwies Zucconi auf die gut 3.500 Migranten und Geflüchteten, die über humanitäre Korridore sicher nach Italien, Frankreich und Belgien gebracht worden seien.
Eine weitere wichtige Aufgabe liegt nach Aussage Zucconis darin, Menschen in ihren Herkunftsländern endlich mehr und bessere Perspektiven zu geben. Niemand verlasse sein Land, wenn er dort echte Perspektiven haben.
Quelle: kathpress