Zulehner: An ewiges Leben Glaubende sind eher gegen Sterbehilfe
Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Offenheit für aktive Sterbehilfe und der Einstellung zum Tod bzw. dem Leben danach: Wie der Wiener Theologe und Religionssoziologe Paul Zulehner in einem aktuellen Blog-Eintrag darlegt, wurde im Rahmen der Langzeitstudie "Religion im Leben der Österreicher*innen 1970-2020" den Befragten folgende Aussage vorgelegt: "Es sollte möglich sein, das Leben von Menschen in der letzten Lebensphase aktiv zu beenden (z.B. durch eine Spritze/Sterbehilfe anzuwenden)." Die Zustimmung dazu stehe "in engster Verbindung" mit der Überzeugung, ob es ein über den physischen Tod hinausgehendes "ewiges Leben" gibt oder eben nicht.
Unter den Jenseitsoffenen - Zulehner nennt sie "Unsterbliche" - seien 9 Prozent "grundsätzlich dafür" und 44 Prozent "unter Umständen"; 28 Prozent zeigen sich als "grundsätzlich dagegen". Solche entschlossene Ablehnung findet sich nur bei 6 Prozent der "Sterblichen", während 42 Prozent grundsätzlich und weitere 46 Prozent unter Umständen dafür seien - zusammen immerhin 88 Prozent, wie der Theologe hinwies.
Die von Zulehner seit Jahrzehnten ausgewertete Langzeitstudie (zuletzt im Buch "Wandlung. Religionen und Kirchen inmitten kultureller Transformation, Ostfildern 2020) lässt nach seinen Worten in der Gesellschaft eine leicht "euthanasierende" Entwicklung vermuten. Die uneingeschränkte Zustimmung zu aktiver Sterbehilfe sei 2020 bei insgesamt 22 Prozent gelegen; dieser Wert sei in den letzten Jahrzehnten schrittweise leicht angestiegen, und zwar von 12 Prozent (2000) auf 18 Prozent (2010) und nunmehr 22 Prozent. Die ebenso grundsätzliche Ablehnung dagegen sei zwischen 2010 und 2020 von 20 auf 12 Prozent gesunken.
Zulehner erinnerte in seinem Blog auch daran, dass der Begriff "Euthanasie", der im Griechischen "guter Tod" bedeutet, durch die "Entsorgung lebensunwerten Lebens" in der NS-Zeit historisch belastet ist. Nach einem erfüllten Leben falle das Sterben leichter, verwies der Theologe auf den greisen Simeon und dessen Begegnung mit dem erhofften Messias (Lk 2,9). Im gesellschaftspolitischen Diskurs liegt der Akzent derzeit allerdings nicht auf dem erhofften guten Tod nach einem erfüllten Leben, so Zulehner. Vielmehr stehe das aktiv unterstützte und damit beschleunigte Sterben im Mittelpunkt. (Link zum Blog: https://zulehner.wordpress.com)
Quelle: kathpress