Ritter-Grepl: Kirche hinkt in Frauenfrage ihrem Ideal hinterher
Die katholische Kirche hinkt in Bezug auf die Frauenfrage und Geschlechtergerechtigkeit ihrem eigenen Ideal hinterher - und viele, gerade auch junge, Frauen würden dies nicht länger akzeptieren. Das hat die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö), Angelika Ritter-Grepl, als eine von mehreren Religionsvertreterinnen bei einer Tagung der Universität Innsbruck beklagt. "Ohne Frauen kein Staat, keine Kirche" lautete der Titel und die Grundthese Ritter-Grepls. Bei der politischen Vertretung des Staates könnten Frauen wählen, wer ihren Interessen am ehesten dient. Bleibe die Kirche diesbezüglich säumig, laute die Wahl für viele zu gehen.
Die Absolventin eines Studiums der kritischen Geschlechter- und Sozialforschung an der Universität Innsbruck sprach am Montag zum Auftakt einer zweitägigen Online-Veranstaltung zum Thema "Die Stellung der Frau im Blickfeld von Kirchen und Religionsgemeinschaften und ihre Rolle in Staat und Gesellschaft". Dabei kommen Vertreterinnen verschiedener, in Österreich staatlich anerkannter bzw. eingetragene Religionsgemeinschaften zu Wort, u. a. Pfarrerin Assunta Kautzky für die Evangelische Kirche, Irmgard Kristanell für die Freikirchen oder Elif Dagli für die Muslime in Vorarlberg.
Die Israelitische Kultusgemeinde Wien, die Altkatholische Kirche und die Syrisch-orthodoxe Kirche werden durch Männer vertreten: Rabbiner Schlomo Hofmeister, Pfarrer Martin Eisenbraun und Chorepiskopos Emanuel Aydin.
Ohne Frauen keine Kirche
Angelika Ritter-Grepl legte eingangs dar, dass es ohne den Einsatz von Frauen und ihre Hingabe an die christliche Botschaft "keine römisch-katholische Kirche, wie wir sie zurzeit kennen", gäbe. Einsatzbereiche seien Kirchenputz und Pfarrgemeinderat gleichermaßen wie Caritas und Schulamtsleitung. Es sei eine Tatsache, dass die Kirche mehr weibliche als männlich Mitglieder hat und dass Frauen auch mehr Wert auf Spiritualität legen. Der Slogan der Katholischen Frauenbewegung - "Die Kraft ist weiblich" - drücke all dies exzellent aus, merkte deren Vorsitzende an.
Auch für Staat und Gesellschaft sei das Engagement von Frauen unverzichtbar. Als Beispiel nannte Ritter-Grepl die von Frauenorden geprägte Landschaft der Sozial-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen in Tirol. Im Konkordat-gesicherten System der Kooperation von Kirche und Staat Österreich sei letzterer "Profiteur", befand die kfbö-Vertreterin und setzte einen kritischen Seitenhieb: "Insofern ist der jüngste Chatskandal des Bundeskanzlers wirklich für ihn zum Schämen, verkennt er doch die faktische Lage bezüglich, wer wen braucht, grundlegend."
Trotz der unleugbaren Stütze, die Frauen für die Kirche bildeten, häuften sich zuletzt Austritte, wies Ritter-Grepl hin. Als Gründe nannte sie vor allem die "strukturelle und rechtliche Diskriminierung der Frauen in der Kirche". Der Anerkennung der gleichen Würde beider Geschlechter aufgrund der Gottebenbildlichkeit folge "leider nicht die Zuerkennung von gleichen Rechten". Dass Frauen keine Priesterweihe empfangen können, schließe sie von allen Leitungsfunktionen aus, welche Priestern vorbehalten sind. Diese Ungleichbehandlung durch eine "globale Religion mit Gewicht" sende auch negative Signale in die globale Gesellschaft aus und legitimiere Benachteiligungen, so Ritter-Grepl.
"... nicht mehr männlich noch weiblich"
Dabei gebe es mit der Umschreibung des bereits angebrochenen Reiches Gottes bei Paulus ("... nicht mehr männlich noch weiblich, denn ihr seid einer in Jesus Christus!", Gal 3,28 ) eine christliche Vision einer gerechten Gesellschaft, die durchaus eine bemerkenswerte Spur durch die 2000-jährige Geschichte des Christentums gezogen habe. Diese Vision habe die Grundlage u. a. für das Erbrecht für Frauen und den Treueeid beider Geschlechter im mittelalterlichen Frankenreich geliefert, und sogar in den 1960er-Jahren habe die Kirche mit dem damals anerkannten Ideal der partnerschaftlichen Ehe den Anstoß für die Eherechtsreform der Kreisky-Ära gegeben.
Das christliche Ideal von "nicht männlich und weiblich" sieht Ritter-Grepl heute garantiert durch demokratische Staaten und der Menschenrechts-Maxime "Gleiche Würde bedeutet gleiche Rechte." Die katholische Kirche hinke diesem von ihr verkündetem Ideal jedoch hinterher und verabsäume es bis jetzt, es in ihrem eigenen Bereich umzusetzen. "Das kann auf die Zukunft gesehen nicht gut gehen", warnte die Referentin. Für sie hängen die Krisen der Kirche genau mit den Themen Frauen und Weiheamt zusammen. Hier müssten Reformen ansetzen.
Die Tagung der Uni Innsbruck dauert noch bis Dienstagnachmittag. Wie die Organisatoren - der Kirchenrechtler Wilhelm Rees und der Rechtshistoriker Johann Bair - in der Ankündigung darlegten, soll von den Referierenden die Rolle der Frau sowohl mit Blick auf deren Bedeutung für die jeweilige Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft als auch in ihrer Bedeutung für die Öffentlichkeit und die damit verbundenen Diskussionen thematisiert werden.
(Programm: https://www.uibk.ac.at/theol/plakatarchiv/programm-tagung-religion-und-staat-im-brennpunkt-04-2021.pdf)
Quelle: kathpress