Glettler bei Canisiusfest: Corona-Aufarbeitung braucht Hirten-Instinkt
Bischof Hermann Glettler hat zu einem "Wiederaufbau-Programm als Aufarbeitung der Pandemie-Folgen" aufgerufen. Im Bereich von Arbeit, Wirtschaft, sozialem Zusammenhalt und bei der psychischen Gesundheit seien "Menschen mit einem Hirten-Instinkt" vonnöten, die "das Ganze im Blick haben und ermutigen, über den Tellerrand der eigenen Wohlstands-Bedürfnisse und nationalen Interessen hinauszuschauen", sagte der Bischof in seiner Domkirche beim Festgottesdienst am Sonntag anlässlich des nahenden 500. Geburtstags des Innsbrucker Diözesanpatrons Petrus Canisius (8. Mai). Die Messfeier wurde auf ORF III sowie von mehreren Radiostationen live übertragen.
Allen Christen sei ein "Hirtendienst" aufgetragen, auf den es besonders in Zeiten kollektiver Nervosität und geringer Frustrationstoleranz nicht zu vergessen gelte, mahnte Glettler. "Sammeln, nicht spalten! Meinungsverschiedenheiten aushalten, zuhören! Selbst anpacken, nicht nur Skandale kommentieren!", appellierte der Bischof. "Vollblut-Hirten, die proaktiv tätig sind" und "nicht davonlaufen, wenn's darauf ankommt", gebe es in der Corona-Pandemie viele: "Jene, die trotz allem politische Verantwortung übernehmen; Eltern, die trotz Vielfachbelastung nicht alles hinschmeißen; Pflegende, die in kritischen Phasen nicht davonlaufen", nannte Glettler als Beispiele.
Er selbst, berichtete der Bischof, habe als Student am elterlichen Bauernhof als "Freizeit-Hirte" gearbeitet und ein neugeborenes Kalb, das eine Böschung hinuntergerutscht sei, auf den Schultern heimgetragen. Ähnlich kenne Gott den Menschen persönlich und nehme ihn auf seine Schultern, "wenn wir nicht zu stolz sind", so Glettler, der hier auf den in der katholischen Kirche am Sonntag gefeierten "Gute-Hirten-Sonntag" Bezug nahm. Jesus sei der "Gute Hirte par excellence", an dem die Kirche Maß nehmen müsse und von dem aus ihre Erneuerung nur stattfinden könne. Dabei dürfe niemand fallen gelassen werden und es brauche einen speziellen Blick für die Verletzlichsten.
Als Vorbild und Hilfe im Hirtendienst bezeichnete der Bischof auch den vor 500 Jahren geborenen Innsbrucker Diözesanpatron: Trotz seiner "beschädigten Biografie" - Glettler verwies hier auf verächtliche Polemik im Konfessionsstreit, Übertreibungen und fehlende Abgrenzung zum Hexenwahn seiner Zeit - vermittle Petrus Canisius "Herz-Feuer, um keiner Verzagtheit, inneren Lähmung oder Frustration das letzte Wort zu geben". Die Kirche brauche den Heiligen und Kirchenlehrer auch heute als "Influencer und Coach für neue Berufungen".
500 "Herdfeuer" zum Festjahr
Mit Glettler zelebrierten u.a. Jesuiten-Provinzial Bernhard Bürgler, Bischofsvikar Jakob Bürgler, Propst Florian Huber und Abt Raimund Schreier. Als offizielle Vertreter des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck nahmen Landeshauptmann Günther Platter und Bürgermeister Georg Willi am Festgottesdienst teil, ebenso der Landesschützenkommandant Thomas Saurer. Die musikalische Gestaltung wurde von Capella Coroniensis und Domorganist Albert Knapp unter der Leitung von Domkapellmeister Christoph Klemm übernommen. Zu hören waren Stücke aus der Missa brevis von Giovanni P. da Palestrina, der Zeitgenosse von Petrus Canisius war.
Die Symbole des Petrus-Canisius-Jahres 2021 - Herz, Hand, Schuh und Buch - standen zu Beginn des Gottesdienstes im Zentrum, darunter auch die von einem Haller Schuhmacher nachgebauten Schuhe des Heiligen. Diese "touren" im Petrus-Canisius-Jahr 2021 durch die Pfarren der Diözese. Sie sind, wie der Festgottesdienst, eines von "500 Herzfeuern des Glaubens und der Nächstenliebe", die im Jubiläumsjahr zum 500. Geburtstag des Diözesanpatrons entzündet werden sollen.
Die Diözese Innsbruck lädt im Petrus-Canisius-Jahr 2021 alle Menschen dazu ein, sich mit eigenen Initiativen und Ideen zu beteiligen und so lebendige Zeichen des Glaubens zu setzen. Willkommen sind als "Herzfeuer" neben neuen Ideen ausdrücklich auch bereits bestehende Projekte und Initiativen, die nachhaltig wirken und die Menschen in Tirol in ihren Herausforderungen unterstützen. Ebenfalls erwünscht sind Projekte, die über den kirchlichen Tellerrand hinaus sehen und auf Menschen zugehen, die nicht zu den "inneren Kreisen" der Kirchengemeinden zählen, heißt es seitens der Diözese. (Weitere Infos: www.dibk.at)
Quelle: kathpress