Vatikan-Entscheid in der Diskussion
Braucht die Katholische Kirche einen "Befreiungsschlag"?
Vatikan-Entscheid in der Diskussion
Braucht die Katholische Kirche einen "Befreiungsschlag"?
Auch eine Woche nach der Veröffentlichung eines Entscheids der Glaubenskongregation zur Frage der Segnung homosexueller Paare gehen die Wogen weiterhin hoch. So meldeten sich inzwischen nicht nur zahlreiche Bischöfe und Laienvertreter aus Österreich kritisch zu Wort, auch Theologinnen und Theologen meldeten Einspruch an. Diesen formulierten Sie u. a. in einem eigenen Beitrag im Podcast "Diesseits von Eden" der österreichischen theologischen Fakultäten. Zuletzt wandten sich auch andere theologische Stimmen an die Öffentlichkeit - mit tieferen theologischen Analysen ebenso wie mit Bekräftigungen der vatikanischen Position.
Sein Unverständnis zum Vatikan-Entscheid äußerte u. a. der Linzer Liturgiewissenschaftler Prof. Ewald Volgger. Es sei nicht schlüssig, "warum getauften und aus dem Glauben lebenden Menschen der gemeinsame Segen versagt bleiben soll", so der an der Katholischen Privatuniversität (KU) lehrende Volgger, der zu dem Thema im vergangenen Jahr ein eigenes Buch publiziert hat ("Benediktion von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften", Schriften der Katholischen Privat-Universität Linz). "Einen Menschen als lebensbegleitenden Partner oder Partnerin zu haben, kann wohl nur ein Segen sein", schreibt Volgger in einer Stellungnahme auf der Website der Diözese Linz. "Dabei spielt die Geschlechtlichkeit weniger eine Rolle als die zugedachte Befähigung, in verbindender Freundschaft füreinander da zu sein."
Wachsender Graben zwischen Norm und Realität
Eine größer werdende Kluft "zwischen normativen Vorgaben und gelebter Gemeinsschaftspraxis" macht bei dem Thema der neue Innsbrucker Dekan und Sozialethiker Prof. Wilhelm Guggenberger aus. Ein solcher wachsender Graben könne zu einem Problem werden, wenn dies bedeute, dass Regeln immer seltener eingehalten bzw. respektiert würden. Keinen Zweifel lässt Guggenberger in seiner Stellungnahme gegenüber Kathpress indes daran, wo in dieser Situation Korrekturbedarf besteht: Schließlich bedeute das vatikanische Nein zur Segnung homosexueller Paare ja "ein Urteil nicht über eine frei gewählte Entscheidung von Menschen, sondern über etwas, das einen Teil ihres Wesens darstellt".
Es brauche daher auch im Lehramt eine stärkere Orientierung an humanwissenschaftlichen Erkenntnissen und vor allem an den "konkreten Lebenssituationen von Menschen", forderte Guggenberger. "Ethische Normen müssen die bleibenden Prinzipien widerspiegeln, aber sie müssen sich auch in das Leben der Menschen hineinstellen lassen", so der Dekan.
Nichts Geringeres als eine theologische "kopernikanische Wende" und einen "Befreiungsschlag" brauche es aus Sicht einer weiteren profunden Stimme aus Innsbruck, um den gordischen Knoten des Auseinanderfallens von pastoraler Realität und Norm zu durchschlagen. Denn schließlich sei es jenes theologische Paradigma einer sündhaften außerehelichen Sexualität, welches sich nur sehr langsam wandle und den eigentlichen Grund der langjährigen "Positionskriege" in der katholischen Kirche darstelle, betonte der emeritierte Innsbrucker Dogmatik-Professor Jozef Niewiadomski im Gespräch mit Kathpress.
Hoffen auf "kopernikanische Wende"
Noch halte das katholische Lehramt an einem Verständnis von Sexualität fest, welches vor allem im Erbe der Kirchenväter bzw. des Hl. Augustinus wurzle - ein Paradigmenwechsel sei diesbezüglich im Gange, wenn auch sehr langsam. Auch wenn man in der Sakramentenpastoral inzwischen die Personalität stärker betone, so würde doch weiterhin die entscheidende Frage nach "Wert und Würde gelebter Sexualität" theologisch umschifft, kritisierte Niewiadomski. Dies gelte im Übrigen auch für Papst Franziskus selber, der zwar für einen menschlicheren Zugang in der Seelsorge stehe, aber das theologische Problem an sich damit "nicht korrigiert hat".
Er hoffe dennoch, dass Franziskus einmal jenen Mut aufbringe, zu einer "kopernikanischen Wende" in der Deutung gelebter Sexualität. "Mit der klaren Absage an das alte Paradigma würden auch all jene Fronten obsolet, an denen immer noch Positionskriege geführt werden", so Niewiadomski. Damit würde Franziskus der Kirche somit "einen Befreiungsschlag schenken" und "ein Zeichen einer missionarischen Umkehr des Lehramtes" setzen.
St. Pöltner Theologen bekräftigen Lehramts-Position
Ganz anders indes die theologische Einschätzung des früheren St. Pöltner Bischofsvikars und außerordentlichen Professors für Moraltheologie und Bioethik an der Hochschule Heiligenkreuz, Helmut Prader, sowie des Rektors der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese St. Pölten, Josef Spindelböck. In einer gemeinsamen Stellungnahme betonten beide, dass die "Klarheit" der vatikanischen Aussage "zu begrüßen" sei. Schließlich erfolge die Argumentation der Glaubenskongregation "mit Bezugnahme auf das natürliche und geoffenbarte Sittengesetz sowie im Hinblick auf die philosophische und theologische Anthropologie". Nur innerhalb einer heterosexuellen Ehe sei es "vom sittlichen Standpunkt aus legitim, sexuelle Akte zu setzen"; daher könne die Kirche homosexuelle Verbindungen an sich nicht segnen, sondern nur einzelne, homosexuell empfindende Menschen, die sich der sexuellen Akte enthalten.
Spindelböck und Prader wörtlich: "Die Stellungnahme der Glaubenskongregation ermutigt homosexuell empfindende Menschen, die sich der katholischen Kirche zugehörig wissen und ein Leben in Übereinstimmung mit den Geboten Gottes anstreben. Wenn homosexuell empfindende Personen eine authentische Freundschaft leben und sich dabei sexuell-genitaler Akte enthalten, verdienen sie eine besondere Wertschätzung und Unterstützung der Kirche."
Quelle: Kathpress