"Ein Armutszeugnis!"
TheologInnen kritisieren Segnungsverbot für homosexuelle Paare
"Ein Armutszeugnis!"
TheologInnen kritisieren Segnungsverbot für homosexuelle Paare
Auch wenn das vatikanische Nein zur Segnung homosexueller Paare theologisch keine große Überraschung darstellt, so zeugt es doch von einem einmal mehr sichtbar gewordenen Unwillen, die lehramtliche Theologie in zentralen Fragen des Verhältnisses zwischen Natur und Norm fortzuentwickeln: Auf diesen Nenner lassen sich die Wortmeldungen österreichischer TheologInnen und Theologen bringen, die sich gegenüber Kathpress zur inzwischen heftig diskutierten jüngsten Publikation der Glaubenskongregation zu Wort gemeldet haben. Es überwiegt dabei das Kopfschütteln über ein - wie es die Grazer Alttestamentlerin Prof. Irmtraud Fischer auf den Punkt gebracht hat - "intellektuelles und auch moralisches Armutszeugnis" für die Kirche.
Ein erwartbares Ärgernis stellt das vatikanische Nein zur Segnung homosexueller Paare etwa aus Sicht der Salzburger Moraltheologin Prof. Angelika Walser dar. Die Aussagen von Papst Franziskus zum Thema Homosexualität seien schon bislang "stets ambivalent" gewesen; einen "Skandal" ortet die Theologin jedoch zum einen im "respektlosen Umgang mit homosexuellen Personen" sowie zum anderen im "theologischen Reformstau", der durch den Entscheid einmal mehr sichtbar geworden sei. Zudem zeuge der Entscheid von einem "weiteren Auseinanderdriften von Pastoral und Lehre" und einer "Doppelzüngigkeit", sei doch die seelsorgliche Begleitung homosexueller Paare seit Jahrzehnten selbstverständliche Praxis in der Kirche.
Aus moraltheoltheologischer Sicht müsse darauf hingewiesen werden, dass die Frage des Umgangs mit Homosexuellen in der Kirche "keine Frage der Barmherzigkeit oder der Liebesethik" sei, sondern eine Frage der Gerechtigkeit. Eine solche theologisch-normative Veränderung sei aber weder vom Papst noch von den Bischöfen beabsichtigt, da es das Fundament eines ebenso theologisch zweifelhaften "völlig verengten Naturrechtsdenkens" berühre, nämlich die lehramtliche Überzeugung einer Hinordnung des der Ehe vorbehaltenen Geschlechtsaktes auf die Zeugung von Nachkommen und des Ausschlusses aller anderen Formen an Sexualität als "widernatürlich ordnungswidrig". Dagegen dränge eine zeitgemäße Moraltheologie darauf, die humanwissenschaftlichen Erkenntnisse auch im Blick auf die Natürlichkeit von Homosexualität endlich zu registrieren, so Walser.
Hoff: "Mittelweg zwischen den Extremen"
Ein theologisch bis in die Nachkonzilszeit bzw. bis zur Enzyklika "Humanae vitae" (1968) von Papst Paul VI. zurückreichendes theologisches Problem macht auch der Innsbrucker Dogmatiker Prof. Johannes Hoff in dem vatikanischen Entscheid aus: Es sei dies das Verhältnis von - theologisch gesprochen - Natur und Gnade, d.h. der immer wieder auszulotenden Analogie zwischen den "natürlichen, objektiven Voraussetzungen", also der Natur des Menschen, und seiner "Heiligung und Vergöttlichung". Galt in der mittelalterlichen Theologie Homosexualität noch als widernatürlich und somit der Natur des Menschen und dem göttlichen Heilsplan widersprechend, so stelle sich heute die Frage, inwiefern neuere humanwissenschaftliche Erkenntnisse auch theologisch zu berücksichtigen seien.
Er plädiere daher für einen "Mittelweg zwischen den Extremen" und eine theologisch-kirchliche Neubewertung des Verhältnisses von Natur und Gnade, ohne einer "subjektivistischen" oder einer "unhistorisch-objektivistischen" Lesart anheimzufallen, so Hoff. Die Kunst bestehe dabei darin, zwischen "geoffenbarten Wahrheiten, die nicht zur Disposition stehen", der pastoralen Wirklichkeit und dem Glaubenssinn der Kirchenmitglieder zu vermitteln. Der vatikanischen Theologie müsse man diesbezüglich vorwerfen, "keine gute Theologie" zu betreiben, da sie einen Dualismus von Gnade und Natur einzementiere, der für die Heiligung von Lebensformen, deren objektive Natur von der heterosexuellen biblischen Norm abweicht, keinen Spielraum mehr lässt.
Filipovic: Idee des Segens wird desavouiert
Eine bewusste Ausblendung humanwissenschaftlicher Erkenntnisse zum Thema Homosexualität ortet auch der neue Wiener Sozialethiker, Prof. Alexander Filipovic. Der vatikanische Entscheid behaupte eine Einsicht in eine "objektive Schöpfungsordnung" und argumentiere mit einer "objektiven göttlichen Ordnung" - dies aber entspreche nicht mehr dem Stand der Moraltheologie bzw. der sozialethischen Argumentation. Vielmehr wähle eine zeitgemäße Theologie den Weg, die "moralische Qualität von Beziehungen und Partnerschaften" nicht mehr in der Beachtung vermeintlich objektiver Ordnungen zu sehen, sondern "in der Zuneigung von Menschen und in ihrem freien Ja zur Person des anderen". Fragen sexuellen Begehrens spielten dabei keine Rolle.
Zudem verwies Filipovic, der seit März den Lehrstuhl für Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien übernommen hat, darauf, dass das vatikanische Nein zur Segnung der Idee der Segnung selbst zuwiderlaufe: "Einem Paar, das Ernst macht mit einer Beziehung, die Anwünschung von Gottes Zuspruch und Gegenwart zu verweigern - denn nichts anderes meint die Segnung -, desavouiert meines Erachtens die Idee des Segens selbst."
Fischer: Kein biblisches Nein zur Homosexualität
Auf die biblischen Implikationen der Frage der Homosexualität verweist die Grazer Bibelwissenschaftlerin Prof. Irmtraud Fischer: So enthalte keine der großen Gesetzessammlungen des Alten Testaments ein Verbot der Homosexualität. Das Verbot homosexueller Liebe finde sich ausschließlich im nachexilischen Heiligkeitsgesetz des Buches Levitikus, so Fischer. "Wer die Texte daher vorurteilsfrei liest, findet viele Anhaltspunkte in der Bibel, dass man gleichgeschlechtliche Beziehungen sehr wohl akzeptiert." Von einem geschlossenen biblischen Befund kann in dieser Sache daher "keine Rede sein", so Fischer.
Zudem zeigte sich die Theologin irritiert von der Tatsache, dass man seitens des Lehramtes "keine Vollmacht sieht, Menschen zu segnen, die sich lieben; die Vollmacht, Autos zu segnen, Haustiere oder österliches Schweinefleisch aber schon". Dafür gebe es keine biblische Legitimierung. "Aber immer, wenn es um das Geschlecht geht, wird man fundamentalistisch; ein intellektuelles und auch moralisches Armutszeugnis für meine Kirche", so die Theologin abschließend.
Quelle: Kathpress