Diskussionen um Vatikanschreiben zu gleichgeschlechtlichen Paaren
Die von der Römischen Glaubenskongregation bekräftigte Absage an eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sorgt weiter für Diskussionen. Der vatikanische Kurienkardinal Marcello Semeraro wies am Dienstag den Vorwurf einer Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare durch die Erklärung der Glaubenskongregation zurück. Das gleiche Verbot gelte auch für heterosexuelle Lebensgemeinschaften außerhalb der Ehe, sagte der Dogmatiker und Präfekt der Heiligsprechungskongregation der italienischen Zeitung "Corriere della Sera". Anders als die staatliche Gesetzgebung sei die Kirche "dem Willen Gottes unterworfen".
Semeraro verglich das Thema homosexueller Verbindungen mit der Debatte um die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Es sei "keine Frage des Willens". Die katholische Kirche sei "an die Heilige Schrift gebunden, an das Wort Gottes". Ob eine Person sündig sei, lasse sich nicht von ihrer Lebensgemeinschaft ableiten; man dürfe "über die innere Situation nicht urteilen", betonte Semeraro. Dessen ungeachtet könne die Kirche "keine Verbindung anerkennen, die von der Heiligen Schrift nicht vorgesehen ist", sagte der Kardinal.
Die Glaubenskongregation hatte am Montag erklärt, dass die katholische Kirche keine Vollmacht habe, gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu segnen. Zwar sei bei solchen Initiativen "der aufrichtige Willen" zu erkennen, "homosexuelle Personen anzunehmen, sie zu begleiten und ihnen Wege des Glaubenswachstums anzubieten", hieß es in dem Papier. Da aber die Verbindungen von gleichgeschlechtlichen Paaren nicht dem göttlichen Willen entsprächen, könnten diese Verbindungen nicht gesegnet werden.
Theologen: Nicht auf der Höhe der Zeit
In Deutschland kritisierten Theologen am Dienstag, dass die Entscheidung rückwärtsgewandt sei und Entwicklungen in Humanwissenschaft und Gesellschaft ignoriere. "Das Dokument steckt in einer Morallehre fest, die in den fünfziger Jahren formuliert worden ist", schrieben Stephan Goertz (Universität Freiburg) und Magnus Striet (Mainz) in einem Gastbeitrag für das Portal "katholisch.de". Die theologische Entwicklung des letzten halben Jahrhunderts werde "großzügig umschifft". Stattdessen habe sich der Vatikan in einer "katholischen Binnenwelt" eingerichtet.
Die gesamte Argumentation zeuge davon, "wie schwer sich Rom immer noch mit dem modernen Freiheitsdenken tut", meinten Goertz und Striet. Dies werde letzten Endes dazu führen, "dass immer weniger bereit sind, sich dem Anspruch zu unterwerfen, das Lehramt könne in eigener Vollmacht darüber entscheiden, wozu es in sittlichen Fragen bevollmächtigt ist und wozu nicht".
Die Glaubenskongregation wolle nicht, dass in der katholischen Kirche homosexuelle Partnerschaften als Liebesbeziehungen gewürdigt werden. "Fragt sich nur, welchen Preis die Bischöfe bereit sind für diese Weigerung noch zu zahlen. Die Emanzipation der Katholikinnen und Katholiken von der Kirche als Mutter und Lehrmeisterin der Moral wird das Dokument aus Rom weiter beschleunigen."
"Stärkung der Ehe zwischen Mann und Frau"
Der deutsche Bischof Wolfgang Ipolt hingegen begrüßte die Klarstellung der vatikanischen Glaubenskongregation. "Bei dem Nein zu einer Segnung geht es aus meiner Sicht vor allem um eine klare Stärkung der Ehe zwischen Mann und Frau und für uns Katholiken auch des Sakramentes der Ehe", erklärte der Bischof von Görlitz.
Zwar könnten Homosexuelle einzeln gesegnet werden, nicht aber ihre Partnerschaft. "In der Praxis einer öffentlichen Segnung mit Gemeindebeteiligung, die ja dann gewünscht wäre, würde das aus meiner Sicht in kurzer Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung und im Verständnis der Gläubigen zu Verwechslungen mit einer kirchlichen Trauung führen", so Ipolt. Darum sei er gegen eine solche Segnung.
"Pfarrer-Initiative" will homosexuelle Paare segnen
Die Mitglieder der "Pfarrer-Initiative" haben nach der Klarstellung der Glaubenskongregation, wonach eine Segnung gleichgeschlechtlich liebender Paare zu unterbleiben hat, Ungehorsam angekündigt: "Wir werden ... auch in Zukunft kein liebendes Paar zurückweisen, das darum bittet, den Segen Gottes, den sie alltäglich erleben, auch gottesdienstlich zu feiern." Das am Montag bekannt gewordene vatikanische Dekret stelle einen Rückfall in Zeiten dar, "die wir mit Papst Franziskus als überwunden gehofft hatten", erklärte die Initiativen in einer Aussendung am Dienstag. Ihr "Aufruf zum Ungehorsam 2.0" knüpft an den ersten von 2011 an, in dem sich die Pfarrer-Initiative für Kirchenreformen stark machte.
Die Kleriker "protestieren vehement dagegen", dass gleichgeschlechtlich liebenden Paaren unterstellt werde, "nicht Teil des göttlichen Plans zu sein". Dass Vatikan-Dekret vergrößere den "Spalt zwischen römischer Bürokratie und gelebter Kirche vor Ort" noch weiter und "diskreditiert" die befreiende Botschaft Jesu, so die scharfe Kritik an der obersten Glaubensbehörde der katholischen Kirche.
Die Ziele der 2006 von Pfarrer Helmut Schüller - der auch heute noch Obmann ist - gegründete Initiative sind u.a. "zeitgemäße synodale Kirchenstrukturen und vor allem eine glaubwürdige und aufgeschlossene Weltkirche, die den aufrichtigen Dienst am Menschen in den Mittelpunkt stellt". Ihr gehören nach eigenen Angaben 350 katholischen Priester und Diakone an.
Auch Kritik von "Wir sind Kirche"
Heftige Kritik an Rom übte die Initiative "Wir sind Kirche". In einer in Wien und München veröffentlichten Stellungnahme bezeichnete sie das Nein des Vatikan zu Segnungen gleichgeschlechtlicher Verbindungen als "unsäglich". Die Absage verdeutliche einmal mehr, dass der Versuch Roms nicht gelingen könne, von oben her weltweit Glaubens- und Sittenregeln zu verordnen, ohne einen Dialog mit den Kirchen vor Ort zu führen.
Mit dieser Haltung, so "Wir sind Kirche", trage der Vatikan dazu bei, dass die in vielen Ländern nach wie vor bestehende Diskriminierung homosexueller Menschen bis hin zur Gefängnis- und Todesstrafe als gottgegeben angesehen werden könne. Vor dem Hintergrund der Verfolgung Homosexueller reiche es nicht aus und sei es gar "zynisch", die christlichen Gemeinden dazu aufzurufen, Menschen mit homosexuellen Neigungen - die nach kirchlicher Lehre nicht gelebt werden dürfen - zu respektieren. Diese Entscheidung zeige wieder einmal, wie sehr die römisch-katholische Sexualmoral den Anschluss an die Humanwissenschaften verloren habe.
Dringend nötig ist es nach den Worten der Initiative, die kirchliche Morallehre weiterzuentwickeln. Diese dürfe nicht nur auf die Sexualmoral fixiert sein. Es bleibe zu hoffen, dass es weiterhin Priester geben werde, die auch homosexuellen Partnerschaften, wenn nicht den Segen der Kirche, so doch den Segen Gottes zusprächen, erklärte "Wir sind Kirche".
Katholische Jugend "fassungslos"
Die Katholische Jugend Österreich (KJÖ) hat sich am Dienstag mit scharfer Kritik am Vatikanschreiben zu Segnungen homosexueller Paare zu Wort gemeldet. "Wir sind fassungslos und lehnen diese von der Glaubenskongregation getroffene Entscheidung klar ab", hieß es in einer Aussendung. Die Katholische Jugend "respektiert und wertschätzt alle von gegenseitiger Liebe getragenen, auf Dauer ausgerichteten, in Treue eingegangenen und mit Verantwortung für das Gelingen übernommenen zwischenmenschlichen Partnerschaften, egal welchen Geschlechts", und halte diese für schützenswert. Dem Nein zur Segnung widerspreche sie "vehement", so die KJÖ.
Sie wolle Jugendliche dazu ermutigen, die von ihnen gewählte Art der Partnerschaft so zu leben, dass sie von respektvollem Umgang, Verantwortung und Achtsamkeit getragen ist. Die Segnung sei ein Grundvollzug der Kirche und dürfe niemandem verwehrt werden, der aufrichtig darum bittet - auch gleichgeschlechtlichen Paaren nicht, betonte die Katholische Jugend. Sie forderte einen offenen Dialog und einen "realistischen Blick auf bereits gelebte pastorale Praxis". Die Vielfalt in der Kirche darf nach Überzeugung der KJÖ durch den "realitätsfernen Beschluss" der Glaubenskongregation nicht untergraben werden.
Quelle: Kathpress