Christliche Frauen bekommen mehr Kinder als konfessionslose
Die Religiosität hat deutlichen Einfluss darauf, wie viele Kinder man bekommt: Das haben nun zwei Forscherinnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien bestätigt. Im Fachjournal "Population, Space and Place" analysieren sie Panel-Daten zu 34.000 Frauen im Alter von 18 und 45 Jahren aus acht europäischen Ländern. Dabei zeigt sich, dass praktizierende Christinnen in Österreich im Durchschnitt fast doppelt so viele Kinder wie Frauen ohne Bekenntnis haben. "Ein Hauptgrund dürfte der hohe Stellenwert sein, den die Kirche Kindern und Familie beimisst", sagte Studienautorin Caroline Berghammer am Mittwoch im Interview mit Kathpress.
Berghammer nahm gemeinsam mit der Demografin Isabella Buber-Ennser Datensätze der von 2002 bis 2016 laufenden Längsschnittstudie "Generations and Gender Surveys" unter die Lupe. Bei den berücksichtigten Österreicherinnen zeigte sich, dass sich wöchentlich den Gottesdienst besuchende Christinnen im Alter von 20 und 29 Jahren zwei bis drei Kinder wünschten, wobei bei den 35- bis 44-Jährigen dieser Gruppe die tatsächliche Kinderzahl im Durchschnitt rund zwei Kinder (1,8) betrug. Im Vergleich dazu wünschten sich Frauen ohne Bekenntnis derselben Altersgruppe durchschnittlich zwei Kinder (1,9) und bekamen später dann ein Kind (0,9).
Dass ausschließlich Angaben von Frauen christlichen Glaubens bzw. Konfessionslose berücksichtigt wurden, begründen die beiden Forscherinnen durch die geringe Anzahl von Befragten in anderen Religionen (z.B. Musliminnen) in den untersuchten Ländern, zu denen sonst auch noch Frankreich, die Niederlande und Schweden, Polen, Russland, Bulgarien und Georgien zählten. Überall fiel der Trend ähnlich aus: Insgesamt wünschten sich praktizierende Christinnen im Schnitt 2,5 Kinder und bekamen dann durchschnittlich zwei, während sich Konfessionslose nur zwei Kinder wünschten und im Durchschnitt 1,5 Kinder bekamen.
Hürden bei der Umsetzung
Überrascht hat Berghammer vor allem das Ergebnis hinsichtlich Verwirklichung des Kinderwunsches. "Befragt man Frauen danach, ob sie in den nächsten drei Jahren ein Kind bekommen wollen, so zeigt die spätere Überprüfung, dass es bei der Umsetzung dieses Vorhabens kaum Unterschiede nach Religiosität gibt. Wohlgemerkt ist jedoch der Kinderwunsch bei den praktizierenden Christinnen schon zuvor höher - und deshalb dann auch die Kinderzahl", so die Wissenschaftlerin. Dass es in der Realität Hindernisse bei der Umsetzung wie etwa Probleme in der Partnerschaft, die ökonomische Situation, Beruf und Ausbildung oder ein hohes Lebensalter geben wird, werde somit von allen Gruppen beim Kinderwunsch bereits berücksichtigt.
Der Befund, dass Menschen deutlich weniger Kinder bekommen als sie gerne haben würden, ist über die unterschiedlichen Länder hinweg zu beobachten, wobei die Effekte in Westeuropa deutlich stärker auftreten als in Osteuropa. Dass in osteuropäischen Ländern der Kinderwunsch seltener realisiert wird als im Westen, liegt laut Berghammer und Buber-Ennser nicht in der Religion begründet, sondern vor allem in gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie insbesondere ökonomischer Unsicherheit.
Kinder gehen vor
Für den bestätigten Zusammenhang von Kinderzahl und Religiosität gibt es laut den Forscherinnen mehrere plausible Gründe. "Für viele gläubige Christinnen haben Kinder und Familie einen sehr hohen Wert und sie leben eher in traditionellen Geschlechterrollen", so Berghammer. Auch der soziale Netzwerkeffekt spielt mit, seien Kirchgänger doch eher in kinderreichen Netzwerken unterwegs und beeinflussten sich somit gegenseitig.
Nivelliert habe sich hingegen der einst zwischen Katholiken und Protestanten unterschiedliche Zugang zu künstlicher Verhütung, der heute selbst bei gläubigen Familien vernachlässigbar sei. Zahlen und Aussagen zur aus katholischer Sicht streng untersagten Abtreibung gibt es in Österreich keine. Plausibel und aus der Literatur bekannt wäre laut der Wiener Soziologin auch ein Zusammenhang zwischen einer tendenziell positiveren Einstellung religiöser Menschen zur Zukunft bzw. einer Krisenbewältigung durch ihren Glauben und der Kinderzahl - den die aktuelle Studie allerdings nicht überprüfte.
Kinderreichtum geht in Europa oft mit Religiosität einher, fasste Berghammer zusammen. "In Österreich und vielen anderen Ländern gilt es schon seit relativ langer Zeit als Norm, zwei Kinder zu haben - wobei es zwischen religiösen und nicht religiösen Familien keine großen Unterschiede gibt. Drei und mehr Kinder findet man deutlich öfter bei gläubigen Familien, sowie, als weiterer Faktor, bei Familien mit Migrationshintergrund aus manchen Ländern."
(Link zur Studie: https://doi.org/10.1002/psp.2433)
Quelle: kathpress