Theologe Zulehner warnt vor Rückzug junger Frauen von der Kirche
Junge Frauen finden immer weniger "gute Gründe", Teil der katholischen Kirche zu sein oder zu bleiben: Vor einem solchen Rückzug warnt der Theologe Paul Zulehner in einem Interview mit der "Kleine Zeitung" (7. März) anlässlich des Weltfrauentags. Aber auch die Corona-Pandemie habe eine Veränderung der Sichtbarkeit der Frauen in der Kirche bewirkt: "Wo während der Coronazeit eine Kirchengemeinde vor allem auf Gottesdienste gesetzt hat, waren eher die Männerpriester aktiv. Es war keine Frau zu sehen, die das Virus mit der Monstranz wegsegnen wollte."
Frauen seien im diakonalen Dienst aktiv gewesen, hätten für andere eingekauft oder alleinstehende Menschen angerufen. "Das wäre für mich der einzig plausible Grund, Frauen nicht zu weihen, weil sie dann vielleicht von der Diakonie 'weggeweiht' werden", meinte der Werteforscher. Zudem dränge sich in puncto des in der katholischen Kirche derzeit offenen Themas des Frauendiakonat der Verdacht auf, dass die vatikanische Diakoninnenkommission "eher die Frauen beruhigen und hinhalten, denn eine Lösung bringen soll".
Hintergrund sei die Befürchtung, dass das Diakonat der Frau den Zugang zur Priester- oder Bischofsweihe öffnen würde. "Man kann ja nicht nur ein bisschen schwanger sein. Wohl deshalb geht nichts weiter", vermutete Zulehner. Eine päpstliche Angst vor einer Kirchenspaltung nehme er hingegen nicht wahr.
Irritationen bei jungen Frauen
Die Konstantinische Zeit, in der Gesellschaft, Kultur und Christentum eng verwoben waren, sei vorbei, betonte der Theologe: "Da musste man als Österreicher katholisch sein. Jetzt können die Menschen frei wählen, auch in religiöser Hinsicht." Nun zähle bei der Wahl der Religionszugehörigkeit auch, ob es "Irritationen gibt, die mich von der Kirche entfernen". Zwar wollten Männer in kirchlichen Leitungsposition genau diese besagte Gruppe nicht diskriminieren, "aber dennoch fühlen genau das junge Frauen und ziehen sich zurück".
Sichtbar werde das Fehlen der jüngeren Frauengeneration in der Kirche auch bei den Mitgliedern der in Deutschland gestarteten Initiative "Maria 2.0". Dort gibt es laut Zulehner kaum junge Frauen, sondern eher Vertreterinnen "aus der mutigen Konzilsgeneration, die in der Kirche bleiben und sich Reformen wünschen". Hingegen zeige die als Reaktion darauf gestartete konservative Gruppe "Maria 1.0", dass manche Frauen sich in ihrer traditionellen Frauenrolle in der Kirche durchaus wohlfühlen.
Positive Schritte
Als "wirklich wichtiger Schritt in unserer katholischen Kirche" bewertete der emeritierte Professor für Pastoraltheologie die jüngste Bestellung von Beate Gilles zur Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz sowie die päpstliche Ernennung der französischen Ordensfrau Nathalie Becquart zur Untersekretärin der Bischofssynode. Becquart erhielt damit als erste Frau volles Stimmrecht in der Bischofssynode.
Speziell in Deutschland sei dies ein wichtiges Zeichen an die Frauen, dass der Großteil der Bischöfe den schon vorhandenen Spielraum ausnütze. Und der Vatikan folge mit Becquart dem Anliegen des Papstes, "den Kreis der Synodalen durch Laien und hier wiederum durch Frauen zu erweitern". Zudem sei eine Synode ein kirchliches und nicht ein klerikales Ereignis, stellte Zulehner klar.
Das Rollenbild der Frau von Papst Franziskus stufte der Theologe jedoch als gespalten ein. Im Schreiben zur Amazonassynode habe der Papst den Frauen zwar Dank und Lob für ihren engagierten Dienst eingeräumt - speziell für das Überleben der Gemeinden im Regenwald. "Andererseits sieht er keinen Weg zur Ordination von Frauen, damit 'ihre Gemeinden' auch Eucharistie feiern könnten. Seine Argumente sind bekannt, aber nicht wirklich schlüssig", so Zulehner. Der Papst befürchte, dass eine Weihe Frauen "klerikalisieren" würde. Für den Männerforscher Zulehner ist eine solche Schlussfolgerung nicht angebracht; zudem sei es "auch kränkend, dass nur Frauen Zärtlichkeit zugeschrieben wird".
Quelle: kathpress