Ordenspriorin fordert neues Amtsverständnis
Die Priorin des Schweizer Benediktinerinnenklosters Fahr, Irene Gassmann (55), fordert mehr Initiative beim Thema Gleichberechtigung in der katholischen Kirche. Die Ordensfrau leitet seit 2003 die Gemeinschaft der Benediktinerinnen im Kloster Fahr in der Schweiz. Im Interview mit der Kooperationsredaktion der österreichischen Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgabe) hielt die Initiatorin des "Gebets am Donnerstag" - bei dem wöchentlich für die Gleichstellung von Frauen in der Kirche gebetet wird - wenige Tage vor dem Internationalen Weltfrauentag (8. März) u.a. ein Plädoyer für ein neues Amtsverständnis in der katholischen Kirche. Darunter falle auch, dass Ordensfrauen in einem Kloster nicht mehr auf einen Priester und Diakon angewiesen sein sollten.
"Bei uns gibt es z. B. viele Schwestern, die älter sind. Wir bräuchten eine aus unserer Reihe, die das Sakrament der Krankensalbung spenden könnte, um nicht immer auf geweihte Männer angewiesen zu sein", erläuterte Gassmann. Die Sakramente müssten neu gedacht werden; ob es dabei für Frauen die klassische Priesterinnenweihe brauche, ließ die Priorin offen.
"Es geht darum, unseren Schatz, den wir in der katholischen Kirche haben, in unserer Zeit auch mit den weiblichen Charismen fruchtbar zu machen", so die Ordensfrau. Dabei brauche es auch kreative neue Formen und Elemente, um die nötige Veränderung in der Kirche voranbringen.
Für Gassmann, die auf einem Bauernhof im Kanton Luzern aufgewachsen ist, sei Gleichberechtigung lange kein Thema gewesen. Erst im Jahr 2014 ist die Ordensfrau im Zuge von Kontakten, Literatur und einem Projekt mit dieser Frage konfrontiert worden. Dabei habe sie "immer stärker gemerkt, wie weit entfernt gerade die katholische Kirche von Gleichberechtigung ist und dass Frauen nicht einbezogen sind in Leitung, in Entscheide, in Ämter, in die Sakramentenspendung."
Als erschütternd bezeichnete die Benediktinerin den 2019 erschienenen Dokumentarfilm "Gottes missbrauchte Dienerinnen", der den geistigen und sexuellen Missbrauch von Ordensfrauen durch Geistliche thematisierte. "Da ist mir bewusst geworden, dass das heutige System krank ist. Es braucht eine Gleichberechtigung in allen Diensten und Ämtern, damit unsere Kirche gesunden kann", so die Priorin des Benediktinerinnenklosters Fahr mit rund 20 Schwestern. Das Kloster wurde um 1130 gegründet und untersteht seither der Abtei Einsiedeln.
Als Reaktion auf den Reformbedarf initiierte Gassmann das wöchentliche "Gebet am Donnerstag", bei dem seit zwei Jahren unter dem Motto "Schritt für Schritt" für einen Wandel in der Kirche gebetet wird. "Es braucht Frauen und Männer, die ihre Stimme erheben, die die Missstände benennen, aber ich glaube es braucht unbedingt auch die Kraft des gemeinsamen Gebets", erläuterte die Ordensfrau die Gebetsaktion. Die Initiative hat sich bereits über das Kloster Fahr ausgebreitet und ist mittlerweile Teil der Schweizer "#JuniaInitiative".
Halt in schwierigen Zeiten
Ihren Glauben bezeichnete die Priorin als "Halt in schwierigen Zeiten". Den Entschluss, in einen Orden einzutreten, fasste die Benediktinerin 1986, nachdem sie die Bäuerinnenschule im Kloster Fahr begonnen hatte. "Ich dachte, da könnte ich meinen Beruf ausleben und hätte auch Zeit für den Herrgott, fürs Beten." Die Berufung sei jedoch nicht in Form eines einzelnen Erlebnisses gekommen: "Gott legt uns die Sehnsucht ins Herz, aber entscheiden müssen wir selber. Er nimmt uns die Entscheidung nicht ab."
Als das typisch "Benediktinische" bezeichnete Gassmann das Wechselspiel zwischen Glauben und Leben. Dies spiegle sich u.a. im Rhythmus des Ordens wider, der sich zwischen Arbeit und Gebet abspiele: "Nach den vielen Ansprüchen des Alltags kann ich im Gebet wieder herunterfahren, zu Gott zurückkehren und mich gleichzeitig auch wieder ausrichten auf das, was kommt. Der Rhythmus gibt eine Balance, eine Ausgeglichenheit."
Ein Rhythmus wie dieser könne auch gegen Überforderung vorsorgen, auch bei Menschen außerhalb des Klosters, merkte Gassmann an. "Viele leben nonstop und sind dann ausgebrannt. Man arbeitet, macht noch eine Sitzung, isst ein Sandwich dazu - und das geht immer so weiter." Anders im Kloster, wo die Arbeitseinheiten relativ kurz, aber intensiv und produktiv sein; danach könne man sich im Gebet "wieder entspannen, Kraft holen und wieder voller Energie in die Arbeit hineingehen".
(www.gebet-am-donnerstag.ch; www.juniainitiative.com)
Quelle: kathpress