Religionslehrer auf Rettungsschiff: Bitte um Flüchtlings-Aufnahme
Einen Hilfsappell hat die Crew der "Sea-Watch 3" an die europäischen Staaten - darunter auch Österreich - gerichtet. Das Rettungsschiff unter deutscher Flagge hat am Wochenende insgesamt 363 im Mittelmeer vor der libyschen Küste in Seenot geratene Menschen aufgenommen und das Überleben von 90 weiteren gesichert. Derzeit wartet es auf die Freigabe eines sicheren Hafens. Teil der 22-köpfigen Besatzung ist der burgenländische Religionslehrer Jakob Frühmann, der bereits im Vorjahr mit der "Sea-Watch 4" unterwegs war. Im Telefonat mit Kathpress am Montag übte er scharfe Kritik an der derzeitigen EU-Flüchtlingspolitik: "Es ist unerträglich, dass sich Europa in solch gewaltvoller Weise abschottet und über Leichen geht", so der Theologe und Aktivist.
Die "Sea-Watch 3" war am 19. Februar nach mehr als siebenmonatiger Zwangspause im Hafen von Burriana (Spanien) ausgelaufen und hatte nach Erreichen der Küste vor Libyen zunächst am Freitag 45, dann am darauffolgenden Morgen 102 weitere in Seenot geratene Menschen aus Schlauchbooten in Sicherheit gebracht. Am Sonntag wurden in drei Rettungsaktionen 216 weitere Menschen, deren Boote teils von einem Aufklärungsflugzeug entdeckt worden waren, an Bord genommen. In der Nacht zum Montag entdeckte die Crew einen weiteren Seenotfall in einem Holzboot, dessen 90 Mitfahrende auf Rettungsinseln so lange stabilisiert werden konnten, bis die italienische Küstenwache sie auf Lampedusa brachte.
Die insgesamt 363 Geretteten an Bord werden derzeit versorgt. Bei ihnen überwiege zwar die Erleichterung, nicht mehr am Schlauchbot zu sitzen, dennoch sei der Zustand vieler bedenklich, berichtete Frühmann: "Alle sind erschöpft, viele haben chemische Verbrennungen aufgrund des Benzin-Walzwassergemisches in den Booten, und natürlich sind viele von der Überfahrt bzw. ihrer Flucht durch Libyen traumatisiert." Sowohl die Crew als auch ihre "Gäste" würden derzeit auf die rasche Zuweisung eines sicheren Hafens hoffen. Eine solche Zuweisung ist bei einer Seerettung im nächstgelegenen Hafen eigentlich rechtlich vorgesehen, doch ist dieses Recht im Fall afrikanischer Migranten in der Praxis mit einem großen Fragenzeichen versehen.
Das bestätigt sich auch im aktuellen Fall: Die Crew der "Sea-Watch 3" hatte am Sonntagabend erst nach unzähligen Versuchen die maltesischen Behörden erreicht, in deren Rettungsgebiet die Menschen in den Booten entdeckt wurden. Erwidert wurde der Notruf jedoch "mit der zynisch-abfälligen Bemerkung, es handle sich dabei doch um keinen Notfall", berichtete Frühmann. "Das heißt mit anderen Worten: Wir lassen die Menschen wissentlich ertrinken - weil sie nicht weiß sind. Was hier geschieht, ist blanker Rassismus, der aus christlicher Perspektive schon gar nicht geht", so der Theologe. Dass Länder wie Malta sich hartnäckig weigerten, ihrer Rettungspflicht nachzukommen, sei "fürchterlich". Allerdings sei auch die Aufforderung nach Zuweisung eines sicheren Hafens für die 363 Aufgenommenen an Italien und Malta bislang unbeantwortet geblieben.
Als besorgniserregend bezeichnete es der derzeit freigestellte Religionslehrer zudem auch, "dass die Menschen auch in den rauen Wintermonaten diese Route nehmen müssen". Die Überfahrt über das Mittelmeer sei hochgefährlich: Allein am Sonntag kam laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) für mindestens 15 weitere Menschen, die unweit der "Sea-Watch 3" ebenfalls vor Libyen in ein Schiffsunglück kamen, jede Hilfe zu spät. Insgesamt sind der IOM bisher seit Jahresbeginn 170 ähnliche Todesfälle im Mittelmeer bekannt. Über 3.500 weitere auf der Überfahrt befindliche Menschen wurden in diesem Jahr bereits völkerrechtswidrig durch die von der EU finanzierte libysche Küstenwache zurückgeschleppt.
Frühmann war bereits im Vorjahr in einem ähnlichen Einsatz mit dem Rettungsschiff "Sea-Watch 4" unterwegs, das nach wie vor im Hafen von Palermo auf die Freigabe durch die Hafenbehörden wartet. Getragen wird dieses von dem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis "United 4 Rescue" unter Federführung der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), dem auch das österreichische Hilfswerk "Jugend Eine Welt" angehört - das auch für die "Sea-Watch 3" erneut einen Unterstützungsbeitrag geleistet hat.
Quelle: kathpress