Corona-Impfung: Theologen appellieren an Verantwortungsbewusstsein
Braucht es angesichts der Corona-Pandemie eine vom Gesetzgeber formulierte Impfpflicht für alle oder für spezifische Berufsgruppen? Diese Frage diskutieren Theologinnen und Theologen in einer aktuellen Folge des neuen theologischen Podcast-Formats "Diesseits von Eden". Ihr Tenor: Eine allgemein Impfpflicht ist rechtlich kaum durchsetzbar, aber sie ergebe sich gleichermaßen automatisch aus einem Menschenbild, in dem Eigenverantwortung und Gemeinwohl zusammengedacht werden. In einer Pandemie müsse "Gemeinwohl vor Eigenwohl" gehen, spitzte es der Wiener Mediziner und Moraltheologe Prof. Matthias Beck zu. Entsprechend appellierten die Theologen an die Bevölkerung, wann immer es möglich sein wird, sich impfen zu lassen, diese Möglichkeit wahrzunehmen, um vulnerable Personen zu schützen.
Anlass für diesen Appell böte laut der Salzburger Moraltheologin Prof. Angelika Walser auch die Diagnose, dass bloße "Awareness-Kampagnen" für die Impfungen "zunehmend nicht mehr ausreichend sind" und daher neben einem Verweis auf die individuellen "Pflichten gegenüber der Gemeinschaft" auch über Gratifikationen nachgedacht werden sollte. Schließlich sei es "nicht einzusehen, dass die Solidargemeinschaft immer für diejenigen aufkommt, die sich letztendlich der Verantwortung entziehen", so Walser.
Den Zusammenhang von Eigen- und Fremdverantwortung unterstreichen im Podcast-Interview auch der Wiener evangelische Theologe Prof. Ulrich Körtner und die Grazer Health-Care-Expertin Prof. Martina Schmidhuber: "Ich verstehe Eigenverantwortung so, dass ich sage, ich bin nicht nur für mich, sondern auch für das Gemeinwohl verantwortlich, und ich sollte mich fragen, was ich eigenverantwortlich dazu tun kann, dass das Gemeinwohl gefördert wird", so Körtner. Und Schmidhuber ergänzt als Leitfragen: "Was kann ich für das Gemeinwohl machen? Wie kann ich dafür sorgen, dass es der Gemeinschaft gut geht?"
Für ethisch vertretbar halten die Theologen indes eine berufsgruppenspezifische Impfpflicht, die etwa medizinisches Personal bzw. Pflegerinnen und Pfleger in systemrelevanten Berufen umfasst. Walser: "Ungleiches ist ungleich zu behandeln. Das heißt, spezifische Berufsgruppen sind einfach eher gefährdet, sind vulnerabler." Auch der Linzer Moraltheologe Prof. Michael Rosenberger votiert für eine entsprechende spezifische Impfpflicht: "Berufe im Bereich von Therapie und Pflege haben eine Fürsorge-Stellung gegenüber den vulnerablen Personen. Hier hätte man also tatsächlich gute ethische Gründe, eine Impfpflicht einzufordern, wenn es sich denn tatsächlich als effizient erweist; das heißt, wenn man damit tatsächlich die Übertragung der Krankheit deutlich verringern oder vielleicht sogar komplett verhindern könnte."
Der Podcast "Diesseits von Eden" ist ein neues Angebot der theologischen Fakultäten Österreichs. Sein Ziel ist es, die öffentliche Relevanz der Theologie sichtbar zu machen. Beteiligt sind an dem Projekt, das von der ökumenischen Radioagentur "Studio Omega" umgesetzt wird, die Katholisch-Theologischen Fakultäten der Universitäten Innsbruck, Salzburg, Graz und Wien sowie die Katholische Privatuniversität Linz (KU), die Evangelisch-Theologische Fakultät Wien sowie das Institut für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien.
Technisch ausgespielt wird der Podcast außerdem über die drei Podcast-Dienste Spotify (https://open.spotify.com/show/2UmXKDYRtqi3TMY6kgrAZ7?), iTunes (https://podcasts.apple.com/at/podcast/diesseits-von-eden-gespr%C3%A4che-%C3%BCber-gott-die-welt/id1552193745) und Simplecast (https://diesseits-von-eden.simplecast.com).
Quelle: kathpress