Corona-Situation in Tirol: Seelsorger sind gefordert
Die aktuelle, von Konflikten zwischen Bund und Land begleitete Corona-Situation in Tirol stellt auch die Seelsorger vor besondere Herausforderungen. Viel mehr Selbstdisziplin und Eigenverantwortung der Einzelnen wünscht sich der Leiter des von der neuen südafrikanischen Covid-Mutation besonders betroffenen Dekanates Schwaz und Pfarrer von Vomp, Stanislaus Majewski. Er bemühe sich in vielen Gesprächen darum, die Entscheidungen der Regierung "ohne negative Emotionen, nüchtern und als gut gemeint" zu vermitteln. Leider sei die Kommunikation durch die Pandemie-Einschränkungen sehr eingeschränkt, sagte Majewski im Interview mit Kathpress.
Zweiter Gesprächspartner am Mittwoch war der Dekan von Lienz, Franz Troyer, wo zwar die Infektionszahlen hoch sind, aber bis jetzt keine Virus-Variante B.1.351 entdeckt wurde.
"Viele sagen: Ich brauche das nicht"
Der für 14 Pfarren im Inntaler Dekanat Schwaz verantwortliche Pfarrer Majewski berichtete, dass sich dort die Situation nach der Bekanntgabe der südafrikanischen Covid-Mutation überhaupt nicht geändert habe. Bekannt sei, dass in der einen oder anderen Pfarre Menschen damit infiziert sind. In vielen Gemeinden sei die Situation diesbezüglich aber unklar. Zum Test gingen vor allem Menschen, die das aus verschiedenen Gründen tun müssen bzw. Symptome haben, sagte Majewski. "Viele leben mit dem Bewusstsein, mich betrifft das Testen nicht. Ich brauche das nicht." Die Disziplin bei Schutzmaßnahmen wie Masken tragen, Abstand halten oder Einladungen lasse bei sehr vielen Menschen zu wünschen übrig. Lobenswert sei aber, dass sich in der Kirche, bei den Gottesdiensten, fast alle daran halten, wie der Pfarrer erzählte.
Was die Kirche bzw. er selbst dazu beitragen könne, um die Lage zu entschärfen und auch die derzeit starke Emotionalisierung mit wechselseitigen Schuldzuweisungen zu relativieren? Majewskis Antwort: "Darüber sprechen, sprechen, sprechen. Den Menschen die Eigenverantwortung ins Bewusstsein rufen." Das christliche Gebot der Nächstenliebe motiviere viele zur mehr Disziplin im Umgang mit den Schutzmaßnahmen. Und generell gelte angesichts der "größten Krise seit dem 2. Weltkrieg", dass der Glaube vielen Menschen ein großes Gottvertrauen und Gelassenheit in der schwierigen Situation schenke.
Beten auch für die Politiker
Der Lienzer Dekan und Stadtpfarrer Franz Troyer berichtete, dass die Menschen im Bezirk verunsichert seien, weil die Anzahl der Infizierten trotz des Lockdowns nicht zurückgeht. Disziplin und Testbereitschaft seien im kirchlichen Bereich hoch, dennoch gebe es Betroffene in den Osttiroler Pfarrgemeinden. Der auch für Bibelpastoral in der Diözese Innsbruck zuständige Troyer bemühe sich darum, "für motivierende Stimmung zu sorgen statt zu jammern und schimpfen". Hilfreich sei dabei auch die Botschaft der Bibel als ein konkretes Angebot, "ohne ständig Tagespolitik zu machen". Und er bete für die von Krankheit, Arbeitslosigkeit, Vereinsamung Betroffenen - und auch für die politischen Entscheidungsträger.
Wichtig ist dem Pfarrer, für die Menschen ansprechbar zu bleiben und Kontakt via Telefon, Pfarr-Nachrichten, offene Kirchengebäude oder kurze Begegnungen auf der Straße zu halten. Seinen Anspruch auch in der momentanen Krise, zu den Menschen zu gehen und "von der Komm-her-Kirche zur Geh-hin-Kirche zu gelangen", setzt Troyer derzeit auch mit allen technischen Hilfsmitteln um: Es gebe in seinem Verantwortungsbereich Podcasts, Drive-in-Gottesdienste, Livestream-Gottesdienste, Statusmeldungen und auch Gedanken zum Sonntagsevangelium in der Bezirkszeitung.
Aus gesundheitspolitischer Sicht sind aus der Sicht des Lienzer Dekans jetzt die Impfungen und die vielen Testungen der größte Gewinn. Er hege die Hoffnung, dass bis zum Sommer 50 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Im Rückblick betrachtet finde er es bemerkenswert, "dass es zu Beginn der Pandemie relativ rasch parteiübergreifend Konsens war, das Wohlbefinden der Menschen über die Wirtschaft zu stellen". Durch die langen Lockdowns der vergangenen Wochen seien freilich viele Menschen müde, das Verständnis für einschränkende Maßnahmen schwinde. Glaubende Menschen hätten in so einer Situation "nicht weniger Probleme, sondern mehr Lösungsmöglichkeiten", so Troyer. Sie wüssten sich begleitet und gehalten und hätten ein "Du" für all ihre Frustration, Angst und auch Freude und Dankbarkeit.
Quelle: kathpress