Weiter große Empörung über Abschiebungen von Kindern
Die jüngsten Abschiebungen von drei Mädchen nach Georgien und Armenien sowie weitere geplante Abschiebungen von Kindern sorgen nach wie vor für Empörung und Appelle an die politisch Verantwortlichen. "Kinderrechte sind Menschenrechte und unteilbar", betonte Hannes Hager, Präsident der "Aktion Leben Österreich", in einer Aussendung am Dienstag. Die jüngsten Abschiebungen seien daher schwer zu rechtfertigen. Hager appellierte an die Regierung, auch im Asylrecht die Kinderrechte vorrangig zu beachten und das Kindeswohl an oberste Stelle zu setzen, wie es die österreichische Bundesverfassung vorsieht.
Die "Aktion Leben" setze sich dafür ein, dass die Rechte von Kindern in jeder Hinsicht geachtet werden, "von Anfang an und während der gesamten Kindheit", sagte Hager. Eine Abschiebung in ein für die Kinder fremdes Land bedeute für diese großes seelisches Leid. Der Präsident zeigte sich überzeugt, dass es im Fall der Abschiebungen nach Georgien und Armenien rechtlichen Handlungsspielraum gegeben hätte, die eine menschliche Lösung ermöglicht hätten.
Die "Aktion Leben" rief die Regierung dazu auf, die Asylgesetzgebung hinsichtlich der Kinderrechte zu überdenken und zu überarbeiten. Ebenso sei es dem unabhängigen Verein ein Anliegen, "Menschen, die aktiv daran arbeiten, sich in Österreich zu integrieren und das Land als ihre Heimat betrachten, für das sie sich engagieren, in dem sie arbeiten und sich bilden, einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen".
Pax Christi mahnt christliche Werte ein
Die katholische Friedensbewegung Pax Christi Österreich forderte am Dienstag in einer Aussendung die Rückholung der abgeschobenen Kinder und Eltern sowie den Ausbau des humanitären Bleiberechts. Die aktuelle Asylrechtslage sei "augenscheinlich auf Seiten derjenigen, die die Abschiebung von Kindern und deren Eltern nach Armenien und Georgien angeordnet haben bzw. diese verteidigen", hieß es wörtlich. Aus christlicher Sicht sperre sich vieles gegen diesen angeblich notwendigen "Rechtsakt" und es stelle sich die Frage, ob es tatsächlich keinen Weg einer humanitären Lösung gegeben hätte.
Wörtlich heißt es in der Pax-Christi-Aussendung: "Wir fordern von den Parteien, das humanitäre Bleiberecht dahingehend auszubauen, dass auch die Gemeinden und Länder in solchen Härtefällen in die Entscheidung miteinbezogen werden müssen." Das humanitäre Bleiberecht verkomme sonst zu totem Recht, wenn selbst gut integrierten Familien dieses Recht nicht mehr gewährt werde.
Pax Christi forderte die Bundesregierung und hier speziell die ÖVP dazu auf, "einen Rechtszustand herzustellen, der menschenrechtlichen Aspekten und christlichen Werten verpflichtet ist".
Im konkreten Fall komme diese notwendige Gesetzesänderung leider zu spät. Deshalb hofft die Friedensbewegung auf einen humanitären Akt der nachträglichen Einbürgerung der abgeschobenen Familien außerhalb des aktuellen Asylrechts. Die international anerkannten Kinderrechte könnten dafür ins Treffen geführt werden. Unterzeichnet ist die Aussendung von Pax-Christi-Präsident Prof. Wolfgang Palaver und den beiden Vizepräsidenten Meinrad Schneckenleithner und Adalbert Krims.
Unzulängliches Asyl- und Fremdenrecht
Auch die Freikirchen in Österreich haben in einer Aussendung appelliert, Kinderrechte höher zu achten als fremdenrechtliche Normen. Die jüngsten Abschiebungen zeigten Unzulänglichkeiten der derzeitigen Bestimmungen zum Asyl- und Fremdenrecht auf. "Kinder, die in Österreich geboren oder mehr als vier Jahre in Österreich leben und deren Lebensmittelpunkt Österreich ist, sollten nicht in das für sie fremde Herkunftsland ihrer Eltern abgeschoben werden können", heißt es in der Aussendung wörtlich.
Weitere Kinder müssten in nächster Zukunft abgeschoben werden, wenn sich die Gesetzeslage nicht ändert, warnten die Freikirchen: "Wir appellieren daher an den Gesetzgeber, Möglichkeiten zu schaffen, solche Härtefälle gar nicht erst entstehen zu lassen." Wörtlich hielten die Freikirchen fest: "Die Asyl- und Fremdenrechte von Kindern von den Eltern abzuleiten, führt zu Sippenhaftung. Das darf nicht sein." Daher sollte der Aufenthaltsstatus von Kindern unabhängig von jenen der Eltern bestimmt werden.
Bis die notwendigen Gesetzesänderungen durchgeführt sind, sollte für Kinder das humanitäre Bleiberecht angewendet, werden, so der Appell der Freikirchen. Gezeichnet ist die Aussendung von Reinhard Kummer, dem Vorsitzenden der Freikirchen in Österreich (FKÖ).
Diakonie: Humanitäres Bleiberecht sanieren
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser hat dazu aufgerufen, nach den jüngsten Kinderabschiebungen nicht zur Tagesordnung übergehen. "Das humanitäre Bleiberecht ist kaputt und muss saniert werden. Und wir müssen den Zugang zur Staatsbürgerschaft für hier geborene Kinder neu regeln", forderte sie in einer Aussendung am Dienstag. Die Abschiebungen seien nicht nur "kaltherzig" und "völlig unverständlich" gewesen, Behörden und Innenminister seien auch keineswegs rechtlich dazu verpflichtet gewesen. Das Kindeswohl sei nicht vorrangig beachtet worden und es seien Behördenfehler passiert.
Die Diakonie fordere seit über zehn Jahren ein humanitäres Bleiberecht für Menschen, die mehrere Jahre in Österreich sind und sich erfolgreich integriert haben. Denn "ihr Aufenthalt ist ab einer gewissen Dauer keine Frage des Asylrechts mehr, sondern der Achtung des Menschenrechts auf Privat- und Familienleben", verwies Moser auf die Europäische Menschenrechtskonvention. "Das Bleiberecht ist daher unabhängig vom Asylrecht zu sehen und gehört ins Aufenthaltsrecht."
Ein Knackpunkt bei der Neuregelung des Bleiberechts sei die Zuständigkeit. Diese müsse weg vom Innenministerium und in die Hände der Länder, forderte die Diakonie-Direktorin: "Die Prüfung von Bleiberechtsanträgen durch die Bundesbehörde hat sich in der Praxis als nicht zielführend und lebensfern erwiesen. Ob jemandem ein modernes Bleiberecht zugesprochen werden kann, sollte besser von den Bundesländern und unter Einbeziehung der Wohngemeinden der Betroffenen geprüft werden."
Zugang zur Staatsbürgerschaft
Sanierungsbedarf sieht die Diakonie auch beim Zugang zur Staatsbürgerschaft für Kinder und Jugendliche. "Es kann nicht sein, dass Kinder, die in Österreich geboren wurden oder fast ihr ganzes Leben hier verbracht haben, in ein Land abgeschoben werden, das sie nicht kennen. Es kann nicht sein, dass Kinder, die hier ihre sozialen Beziehungen haben, die hier Kindergarten und Schule besuchen und kein anderes Bildungssystem kennen als das österreichische, für den Staat als Fremde gelten", so Moser.
Die Diakonie unterstütze daher die Petition von SOS Mitmensch (abrufbar unter: https://www.sosmitmensch.at/hiergeboren): Gefordert wird der automatische Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft für Kinder, wenn sie hier geboren sind und zumindest ein Elternteil bereits sechs Jahre hier lebt. Gefordert wird weiters die Einbürgerung aller jungen Menschen, die als Kinder nach Österreich gekommen sind, nach sechs Jahren.
Quelle: kathpress