Krautwaschl: Corona-Pandemie stellt vor Sinnfragen
"Mensch, wozu willst du leben und wozu bist du da?" Vor diese Frage stellt nach den Worten des Grazer Bischofs Wilhelm Krautwaschl derzeit immer wieder die Corona-Krise. Er griff dazu das Buch "Wage zu träumen" von Papst Franziskus auf und regte an, sich ernsthaft mit Fragen auseinanderzusetzen wie: "Ist nicht eine Lebensstiländerung gefragt?" Oder im Blick auf die von vielen ersehnte "Normalität": "Wollen wir wirklich alle in den Stress zurück, den wir dauernd beklagen?" Ob eine Neuausrichtung zu schaffen ist, sei wieder eine andere Frage, räumte Krautwaschl ein. "Aber zumindest nutze ich die Gelegenheit, mir selber das Innehalten zu gönnen, um wieder eine neue Perspektive zu bekommen."
Der Bischof verwies in dem auf der Diözesan-Website veröffentlichten Interview auf die für jeden bestehende "Chance, jetzt zu leben". Es seien derzeit zwar enge Grenzen gesteckt, "aber innerhalb derer können wir immer noch viel nutzen". Der Glaube sei eine wesentliche Quelle dafür, Vertrauen zu üben und zu leben. Die Bibel sei voll von Erzählungen, dass Gott die Menschen nicht allein lässt und immer wieder auf sie zugeht, erinnerte Krautwaschl. Das gelte auch heute.
"Was zählt, ist, in Kontakt zu bleiben", betonte der Bischof. Auch unter den Erfordernissen des Distanzhaltens gebe es Möglichkeiten wie Anrufe, Mails oder Briefe schreiben, miteinander spazieren gehen. Wichtig sei auch das Gebet als Kontakthalten mit Gott.
Krise als Lernanstoß nutzen
Das reale Miteinander sei freilich durch nichts zu ersetzen. Krautwaschl hält es - wie er sagte - für möglich, dass die Corona-Pandemie zum Lernanstoß wird:
Vielleicht kriegen wir eine neue Sensibilität fürs Miteinander, weil es eben die längste Zeit nicht selbstverständlich war. Vielleicht lernen wir wieder, aufmerksamer miteinander umzugehen, wirklich einander zuzuhören.
Das sei momentan "total weg", bedauerte Krautwaschl. "Derzeit hat jeder eine Meinung und die wird mit aller Härte vorgetragen. Das ist brutal, was da im Menschen drinnen steckt und wie miteinander umgegangen wird."
Nach dem Motto "Not sieht Not" dürften Menschen heute nicht bei sich selber stehen bleiben. Oft würden "die Kreise um einen selbst noch kleiner", wenn es jemandem schlecht geht. Angesichts von Flüchtlingsschicksalen an den Außengrenzen Europas nannte es der Bischof "tragisch", nur mit sich selbst beschäftigt zu sein. "Das gehört auch wieder aufgebrochen. Ich hoffe, dass wir bald wieder die anderen wieder mehr im Blick haben."
Der Grazer Bischof betonte auch, dass Kirche mehr sei, als am Sonntag zusammenzukommen und Messe zu feiern. Krautwaschl würdigte das Engagement der vielen in der Krankenhaus- oder Pflegeheimseelsorge Tätigen, in karitativen Einrichtungen oder in der Nachbarschaftshilfe, Religionslehrkräfte und Kindergartenpädagoginnen - "das ist genauso Leben von Kirche".
Quelle: kathpress