Ökumene: Keine spektakulären Fortschritte, aber gelebte Praxis
Die großen Fortschritte in der Ökumene gehören der Vergangenheit an und die Vision von Papst Johannes Paul II. "dass die Kirche im dritten christlichen Jahrtausend eine Einheit wiederfindet, die jener im ersten Jahrtausend entspricht" ist auch nicht greifbar. Aber trotzdem: Die Ökumene wird landauf - landab gelebt. Sie ist im guten Sinn selbstverständlich und alltäglich geworden. Das geht aus einer Umfrage der Katholischen Aktion der Diözese St. Pölten unter Kirchenvertretern hervor, wie es in einer Aussendung heißt.
Richard Gödl, altkatholischer Pfarrer von St. Pölten-Krems und Vorsitzender des Ökumenischen Arbeitskreises NÖ-West, erlebt demnach Ökumene als "Vielfalt der christlichen Kirchen in ihrer gewachsenen Tradition und Spiritualität". Diese Vielfalt sei ein kostbares Geschenk füreinander. Alle Christen hätten zudem eine gemeinsame Sendung. Auch die sei ein zentraler Aspekt der Ökumene.
Gödl fragt kritisch, ob sich die christlichen Kirchen stark genug den drängenden Fragen in der Gesellschaft stellten. Dabei denkt er an die Schöpfungsverantwortung, den Schutz des Lebens, die Not der Geflüchteten - besonders bei den Menschen in den Flüchtlingslagern, die Chancengleichheit in der Bildung, sowie an die Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter.
Der St. Pöltner Ordinariatskanzler Gottfried Auer ist seit zwei Jahrzehnten Vertreter der Diözese im Ökumenischen Rat der Kirchen Österreichs. Seine Vision für die Ökumene ist die Einheit am Tisch des Herrn in "versöhnter Verschiedenheit" und in "Unterschiedlichkeit vereint".
Auer erinnert sich dankbar an viele Begegnungen mit dem Wiener Weihbischof Helmut Krätzl, Oberin Christine Gleixner, Metropolit Michael Staikos und Superintendent Paul Weiland, die ihm als Neuling in verschiedenen ökumenischen Gremien sehr geholfen hätten. Gerne denkt er auch an viele interessante Begegnungen bei der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu 2007.
"Gott ist so groß, dass keine Kirche ihn aus sich heraus ganz begreifen kann", so der evangelische Superintendent Lars Müller-Marienburg. Vermutlich könnten es auch nicht alle Kirchen gemeinsam. Aber immerhin helfe es dabei, "Gott mehr zu verstehen, wenn man neben dem eigenen, auch andere Wege mit ihren Traditionen, Liedern, Bildern, Gebeten und Denkweisen kennenlernt und so die eigene Beziehung zu Gott bereichert und vertieft".
Schule als Ort gelebter Ökumene
Pfarrer Catalin Soare von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche nennt die Schule als einen wesentlichen Ort gelebter Ökumene. Er begrüßt sehr den Austausch mit Religionslehrern anderer Konfessionen. Er freute sich auch, wenn er von katholischen oder evangelischen Kolleginnen und Kollegen ins Krankenhaus oder Gefängnis zu Menschen in Not gerufen wird. Regelmäßig führt er Gespräche mit seinem römisch-katholischen Nachbarn Dechant Ernst Bergmann. "Diese Treffen tun einfach gut. All das nenne ich Ökumene des Herzens."
Die europaweit einzigartige ökumenische Zusammenarbeit an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems erlebt der Pädagoge Thomas Naske als eine "spannende und herausfordernde Sache". Einerseits gebe es die Zusammenarbeit mit den christlichen Gründungsmitgliedern, andererseits auch jene mit weiteren Kooperationspartner wie den Freikirchen, der Islamischen Glaubensgemeinschaft, der Alevitischen Glaubensgemeinschaft, der Israelitischen Religionsgesellschaft und der Buddhistischen Religionsgesellschaft.
Wolfgang Grabensteiner, Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche, verweist auf den aktuellen Hit "Jerusalema". Derzeit würden Millionen Menschen auf der ganzen Welt nach einem Gebetsruf in der Sprache der Zulu tanzen: "Ngilondoloze, Zuhambe nami" - "Schütze mich, begleite mich" auf dem Weg nach Jerusalem. Grabensteiner ist begeistert, wie Menschen unterschiedlichster Kulturen, Nationen und Glaubensbekenntnisse im selben Takt tanzen. "Wir sollten in der Ökumene wohl weniger reden und öfter tanzen."
Quelle: kathpress