Schwarz: Umgang mit Pandemie erfordert gesteigerte Achtsamkeit
Die Corona-Pandemie hat einen neuen "Prozess des Menschseins" gestartet, der eine gesteigerte Achtsamkeit erfordert: Darauf hat der St. Pöltner Diözesanbischof Alois Schwarz im Radio Niederösterreich-Sendeformat "Kamingespräche" am Mittwochabend hingewiesen. Gemeinsam mit Literaturwissenschafterin und Autorin Marlen Schachinger sprach er u.a. über die Auswirkungen der Corona-Krise, Digitalisierung sowie christliches Handeln in der Politik. Die durch Covid-19 erzwungene Distanzierung führe zu einer fehlenden menschlichen Nähe, gerade jetzt sei es daher wichtiger denn je, "achtsam miteinander umzugehen", so das Fazit von Schwarz und Schachinger.
Der inzwischen bekannte Slogan "Schau auf dich, schau auf mich" könne als eine Art Leitsatz der Achtsamkeit gelten, erläuterte Bischof Schwarz. Ähnlich wie beim biblischen Gebot der Nächstenliebe - "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" - brauche es auch beim Thema Achtsamkeit zuerst die Wertschätzung gegenüber dem eigenen Leben. Dazu gehöre auch das Verzeihen der eigenen Emotionen und Schwächen.
"Gut zu sich selbst zu sein und in sich selbst zu ruhen, ist der Ausgangspunkt für Achtsamkeit. Die Schwierigkeit dabei ist aber, dass wir oft nicht bei uns sind", konstatierte Schwarz. Was vielen Menschen in Zeiten einer weltweiten Corona-Krise fehle, sei eine "Innere Ausgeglichenheit" und ein "innerer Rhythmus". Ohne diese gebe es keine Achtsamkeit und damit weniger Lebensqualität, folgerte der Bischof.
Tipps für mehr Achtsamkeit
Als einfachen Tipp für mehr Achtsamkeit im Alltag nannte der vormalige Bischof der Diözese Gurk-Klagenfurt (2001-2018) etwa morgens mit Ruhe in den Tag zu starten. Entscheidend sei auch ein guter Schlaf, der helfe, die "verklebten Autobahnen des Denkens auseinanderzunehmen und emotionalen Müll zu entsorgen". Weiters nannte er Bewegung, Arbeit sowie "Zeit für sich selbst und Freunde oder Familie" einzuplanen.
Achtsamkeit könne "eine Schneise der Hoffnung schlagen", meinte Bischof Schwarz. Es helfe "das Gute zu behalten und herauszuschälen, was hilfreich und bedeutsam ist". Das betreffe einerseits Neuerungen im Zuge der Corona-Pandemie, wie die Digitalisierung, aber auch die Flut an Nachrichten, Zahlen und Daten rund um das Virus. Gefragt seien "klare Nachrichten und Orientierung", die vielen Medien und das Digitale könnten jedoch "zu einer Zermürbung der Seele" führen, mahnte Schwarz.
Eine Vorbildfunktion komme Papst Franziskus zu, der am Neujahrstag zu einer "Kultur der Achtsamkeit als Weg zum Frieden" aufgerufen hatte. Für Schwarz impliziert das sowohl einen achtsamen Umgang mit der Schöpfung, als auch Solidarität, "damit wir Menschen nicht übersehen und Gemeinwohl fördern". Und weiter: "Die Welt wird besser, wenn jeder dem anderen hilft, die Welt besser zu machen." Dieses Credo gelte auch abseits der Kirche in der Politik, wo es gelte gerechte Strukturen zu schaffen. "Wir müssen in der Differenziertheit unserer Gesellschaft konkrete Zeichen setzen, dass Nächstenliebe wirklich zum Programm gehört, das ist gelebte Achtsamkeit."
Kritik an Effektivitätsmaximierung
Der aktuell viel verwendete Begriff "Achtsamkeit" müsse jedoch von der missbräuchlichen Verwendung durch Seminare, die lediglich auf Effektivitätsmaximierung abzielen, abgegrenzt werden, wies die aus Oberösterreich stammende Autorin hin. Achtsamkeit sei das Gegenteil von Egomanie und Intoleranz, sondern verweise auf ein Miteinander, so Schachinger.
Kritik übte die Literaturwissenschaftlerin am fehlenden "christlichen Handeln" vonseiten der Politik, etwa in Bezug auf die Situation von Flüchtlingen auf Lesbos. "Nicht zu sehen, was in Moria passiert, ist nicht christlich." Positiv strich sie die Rolle des Papstes hervor, der "die Verantwortung für die Welt wieder in den Blick rückt". Schachinger wünschte sich aber mehr "klare Worte" vonseiten des Papstes.
Mehr Dialog brauche es auch beim Thema Kultur, mahnte die Autorin. Die Politik sei gefordert kulturpolitische Maßnahmen zu setzen, da die aktuellen Probleme nicht nur wegen Corona und des Auftrittsverbots existierten, "sondern seit Jahrzehnten mitgeschleppt werden".
Quelle: kathpress