"Es gilt, was in der Kathpress steht": Zum Tod von Erich Leitenberger
Berge von Papier - überall. Auf dem Schreibtisch, auf dem Boden, auf den Regalen. Und von dahinter eine tiefe, sonore Stimme und das permanente Rattern der Tastatur. Dieses Bild hat sich jedem eingeprägt, der das Büro von Erich Leitenberger in der Singerstraße betreten hat - Besuchern wie Redakteuren. Fast 30 Jahre lang war Leitenberger, der am Montag tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde, Kathpress-Chefredakteur; und er wurde in dieser Funktion zu einer der prägendsten Figuren der katholischen Publizistik in Österreich.
Dabei blieb er, der fast jeden Stein und jeden Kirchenführer im Nahen Osten persönlich zu kennen schien, doch stets Agentur-Journalist und damit so etwas wie die Graue Eminenz. Das gleißende Scheinwerferlicht war nicht seins. Er blieb lieber wohl informierter und informierender Akteur im Hintergrund. Das verband ihn bis zuletzt auch eng mit "seiner" Kathpress, deren innerkirchliche wie mediale Bedeutung er auf die schlichte Formel zu bringen pflegte: "Es gilt, was in der Kathpress steht." Nicht die Journalisten stehen im Mittelpunkt, sondern die Nachricht. Wenn nun mit dieser hehren Regel des Agentur-Journalismus gebrochen wird, so geschieht dies als dankbare persönliche Verneigung der Redaktion vor einem großen Journalisten:
Paul Wuthe, Chefredakteur seit 2010:
Wie kann man sich die Stabübergabe eines lang gedienten Chefredakteurs einer katholischen Nachrichtenagentur vorstellen? Christlich, im besten Sinn des Wortes! Als ich mit Jahresbeginn 2010 das journalistische Steuer von Prof. Leitenberger in der Kathpress übernehmen konnte, fand ich nicht nur ein für seine Verhältnisse mustergültig aufgeräumtes Büro vor - Erich weiß, wie es gemeint ist -, sondern vor allem eine seetüchtige Mannschaft und ein sturmerprobtes, wenn auch etwas behäbiges Flaggschiff der kirchlichen Medienflotte.
Zuvor durfte ich ihm ab Herbst 2004 bei der Pressearbeit im Umfeld der Vollversammlungen der Bischofskonferenz über die Schulter blicken und dabei immer mehr auch selbst Hand anlegen. Es war von Anfang an ein Verhältnis auf Augenhöhe, das nicht nur kollegial, sondern aus meiner Sicht väterlich-freundschaftlich im besten Sinn des Wortes war - bis zuletzt.
Kann man die Aufgaben als Chefredakteur und als Kirchen-Sprecher überhaupt unter einen Hut bringen? Leitenberger war das lebende Beispiel dafür, dass es möglich ist. Er hatte die journalistische Professionalität und persönliche Integrität, die ihn zum Glücksfall für eine glaubwürdige kirchliche Medienarbeit gemacht haben. "Guter Agenturjournalismus kann auch über die heikelsten innerkirchlichen Themen berichten, weil er faktenbezogen und nüchtern ist." LEI, so sein Redaktionskürzel, wusste, wovon er sprach und durfte die Achterbahnfahrt der Kirche(n) seit Mitte der 1970er-Jahre als Mitfahrer und Berichterstatter gleichermaßen erleben. Er ist jetzt dort angekommen, wo die Suche nach Sinn und Wahrheit an ihr Ziel kommt, wo das Ewige Licht alles zum Vorschein bringt. So dürfen wir hoffen, mit und für ihn, als Christen.
Georg Pulling, Redakteur seit 2001 und stv. Chefredakteur:
Geregelte Dienst- und Arbeitszeiten kannte Erich Leitenberger nur vom Hörensagen. Persönlich betraf ihn das alles nicht. Urlaub war auch nicht seine Sache. Mehr als ein, zwei Tage pro Jahr konnten ihn auch seine engsten Freunde nicht von seiner Arbeit in der Kathpress abhalten. Leitenbergers "Eulendienste" mit Aussendungen und regem Mailverkehr rund um Mitternacht waren legendär. Manchmal war er um diese Zeit mit seinen Nachrichten der Welt um einige Stunden voraus, manchmal auch hinten nach. So mancher Journalistenkollege berichtete, dass man Leitenberger am besten zwischen elf und ein Uhr nachts in der Kathpress erreichen könne. Selbst habe ich es zwar nur ein Mal ausprobiert - aber es hat funktioniert. Der Sonntag war auch ein Geheimtipp. - Dass er es auch mit der Arbeitszeit seiner Mitarbeiter und vor allem Mitarbeiterinnen nicht so genau nahm, ist wieder eine andere Geschichte.
Leitenbergers Arbeitstempo wurde mit der offiziellen Pensionierung vor rund zehn Jahren zwar etwas gemächlicher, dafür wuchs sein Aufgabenbereich: Manchmal kamen wir in der Redaktion kaum nach, die von ihm versendeten Nachrichten seines "Pro Oriente"-Informationsdienstes (poi) auszuwerten. Die Meldungen zeugten von einem ungeheuren Wissen. Redaktionsintern wurde oft darüber gewitzelt, dass es so manche unvollendete Diplomarbeit oder Dissertation Leitenbergers geben müsse, aus der er ständig seine Geschichten mit Hintergrundinformationen würzte.
Persönliche Eitelkeiten wird er wohl auch gehabt haben, nach außen zeigte er sie aber nie. Seine Auffassung eines loyalen kirchlichen Mitarbeiters ließ ihn wohl auch so manche Kränkung, die er in der Erzdiözese Wien erfahren hatte, hinunterschlucken.
Vor rund 25 Jahren begegnete ich ihm erstmals, seither hatten wir viele Tätigkeitsfelder gemeinsam, das betraf nicht nur die Kathpress, sondern etwa auch die Erzdiözese Wien, den Ökumenischen Rat der Kirchen, den Verein Studio Omega, die Initiative Christlicher Orient oder die Orthodoxie. Dankbar bin ich dafür, dass er mir stets mit großem Respekt begegnete und mich gefördert hat. Man konnte von ihm viel lernen; meistens wie man es richtig macht; manchmal auch, wie man es nicht machen soll.
Ein großer Teamplayer war Erich Leitenberger nie und in keiner Funktion, Pünktlichkeit war auch nicht seine Stärke. Und doch - wenn man einmal gelernt hatte, mit seiner Art umzugehen, dann konnte man so gut wie alles von ihm haben, und meistens auch noch zur rechten Zeit. Nun ist seine Zeit hier auf Erden abgelaufen. Es bleibt das Vertrauen auf die ewige Heimat in der unergründbaren Liebe Gottes und für uns Zurückgebliebene - um es in der Sprache der Orthodoxen auszudrücken - "ewiges Gedenken".
Robert Mitscha-Eibl, Redakteur seit 1993:
Auch ich als derzeit längstdienender Kathpress-Redakteur habe lebhafte Erinnerungen an Erich Leitenberger - jenen Mann, der bisher am längsten mein Chef war. Mein Einstieg bei der Kathpress 1993 war nicht friktionsfrei, hatte ich doch meine ersten journalistischen Sporen bei Rudolf Schermanns aufmüpfigem Blatt "Kirche Intern" (später "Kirche In") erworben. Ob der kirchenpolitisch zur seriösen, "offiziösen" Kathpress passt, schien sich damals mancher an den kirchlichen Machthebeln zu fragen. Doch Leitenberger blieb ungerührt davon, setzte mich in der Ära Groer und Krenn als Jungredakteur durch.
Als 1995 der Missbrauchsskandal um den damaligen Wiener Erzbischof losbrach, und die Kathpress - nun, sagen wir - anfangs sehr "zurückhaltend" über die von Groer angerichteten Personen- und Imageschäden berichtete, berief ich mich gegenüber dem damals in einem Loyalitätskonflikt stehenden Chefredakteur auf die alte Regel unserer Berichterstattung: Die Kathpress macht das "kirchliche Wetter" nicht, sondern informiert ungeachtet dessen, ob es gerade Sonnenschein oder aber Hagelstürme gibt. Und siehe da, es folgten untadelige Nachrichten darüber, was dem Kardinal mit Hang zur Hygieneerziehung bei jungen Burschen konkret vorgeworfen wurde.
Wie viele andere bewunderte ich Erich Leitenbergers weiten Horizont, seine Sprachkenntnisse, sein umfassendes Wissen und auch seine Gabe, kirchliche Entwicklungen einzuordnen und einzuschätzen. Er war ein herausragender Journalist und über Jahre unverzichtbarer Informant all jener Medienleute, die in Österreich und darüber hinaus mit Kirchendingen zu tun hatten. Seine zahlreichen Anrufer bekamen von ihm oft sogar mehr an Hintergrundwissen mit als seine eigenen Redakteure. Und angesichts der hohen Anforderungen an Leitenberger als Chef einer Nachrichtenagentur und zugleich Sprecher der Bischofskonferenz blieb so mancher Artikel unabgefertigt auf den üppigen Papierstapeln im Chefzimmer liegen.
Manchmal vergaß Leitenberger darauf, dass die Dienstzeiten seiner Untergebenen anderen Kriterien folgen (müssen) als seinen eigenen der ständigen Verfügbarkeit. Was mich als späterer Betriebsrat des kleinen Kathpress-Teams so manchen Strauß mit ihm ausfechten ließ. Nein, ein Teamplayer war er nicht. Als Chef durchwachsen, als Journalist jedoch eine Instanz und auch für mich ein bleibendes Vorbild an inhaltlicher und sprachlicher Genauigkeit.
Henning Klingen, Redakteur seit 2006:
"Humanitäre Katastrophe in Tigray: Bischof bittet erneut dringend um Hilfe": So lautete der Titel einer der letzten Aussendungen, die Erich Leitenberger in seiner Funktion als Pressesprecher von "Pro Oriente" am vergangenen Freitag ausgeschickt hat. Die Mail erreichte mich um 23:25 Uhr. "Eulendienst" pflegten wir in der Redaktion diese quasi mitternächtlichen Informationen liebevoll und zugleich belustigt zu bezeichnen. Und sie waren keine Seltenheit. Denn Leitenberger übte nicht einen Beruf aus, sondern folgte einer Berufung.
Das hat mich als Jungjournalist, der von ihm 2006 in die Redaktion geholt wurde, immer beeindruckt - und zugleich irritiert. Denn ein Privatleben, Familie, Kinder: das alles kam in seiner journalistischen Welt, die so groß und doch zugleich so klein war, nicht vor. Auch war er nie ein Teamplayer. Er "war" die Kathpress, eine moderne, arbeitsteilige Redaktion wurden wir erst in der Post-Leitenberger-Ära. Dennoch: Er bleibt ein Vorbild in journalistischer Quellenarbeit, in geradezu enzyklopädischer Informiertheit und letztlich in seiner unbeirrbaren Loyalität zur Kirche, die auch für katholische Journalisten in den vergangenen Jahren teils zur harten Probe wurde.
Franz Morawitz, Redakteur von 1990 bis 2019:
Mein erstes Treffen mit Erich Leitenberger fand Mitte der 1980er-Jahre im Besprechungszimmer der Päpstlichen Missionswerke (Missio) in der Seilerstätte statt. Man sprach vom "Neuen Chef der Kathpress", der eine engere Kooperation anstreben wollte. Ausgelöst hatten diesen Wunsch meine Hintergrundinformationen zu den Reisen von Papst Johannes Paul II., die Leitenberger gerne als Kathpress/Missio-Extradienste vermarkten wollte. Die Kooperation kam zwar nicht zustande, aber eine lange kollegiale Wertschätzung, die schließlich zu einer Freundschaft werden sollte, begann. Die beidseitige Leidenschaft für eine historisch-religiös fokussierte Auslandsberichterstattung verband uns, besonders auch das Interesse für die spanische und portugiesische Kultur.
Durch meine Frau, die ich ein paar Jahre nach meinem Beginn bei der Kathpress auf einer Lateinamerikareise kennenlernte, erfuhr ich vieles aus dieser Welt, was Leitenberger aber nicht wenige Male schon längst vor mir wusste. Sein Geschenk zu meiner Pensionierung war dann auch ein Buch in diese Richtung. Es handelt von dem portugiesischen Missionar und Jesuiten Antonio Vieira. Ich habe es nach einigen Monaten auf eine Reise mitgenommen und war tatsächlich selber fasziniert von dem mutigen Ordensmann, der im Visier der Inquisition stand.
Hinter all dem Wissen über die Weltteile und die globalen Verästelungen des Christentums in seiner 2.000-jährigen Geschichte stand aber etwas Tieferes: Erich Leitenberger hatte eine schwere Kindheit im Nachkriegsösterreich, Salzburg und Wien, und litt als sensibler Mensch unter einer Schulzeit, in der das begangene Unrecht der NS-Zeit nicht thematisiert werden durfte. Er entdeckte als Schüler die historische Literatur, wusste mehr als seine Mitschüler, und er fand in den Büchern des vom Charakter her ihm ähnelnden Franz Werfel - besonders in den "40 Tagen des Musa Dagh" - einen Schlüssel zu einem Verstehen des Geheimnisses vom Wirken des Verbrecherisch-Bösen und der Gnade. Ursprünglich evangelisch, suchte er als Jugendlicher eine Antwort in der damals offeneren katholischen Kirche der Kardinal-König-Ära, und er fand in der Jugendgruppe von Wien-St. Stephan Gleichgesinnte und Freunde. Auch ein großes Interesse am Judentum brachte er schon aus der Jugend mit. Schon im Studium konnte er aufgrund seiner Begabung und des Kontakts zur Familie Schulmeister in die "Presse"-Redaktion kommen, wo er sich als Außenpolitiker bewährte.
In langen Gesprächen nach Dienstschluss konnten wir so manches Persönliches und Religiöses teilen, und so durfte ich viel von einer journalistischen Persönlichkeit erfahren, die schon von ihrem Werk aus 50 Jahren her beeindruckte, aber noch mehr als Mensch. Als Redakteur, der 19 Jahre unter Erich Leitenberger als Chefredakteur gearbeitet hat, konnte ich mit seinem unkonventionellen Arbeitsstil durchaus gut leben, obwohl der Alltag zugegebenermaßen oft nerven konnte: Lange Redaktionskonferenzen, stundenlange Telefonate, später Redaktionsschluss. Dafür aber völlige Freiheit beim Aufgreifen von Themen, für die ich privat ein Faible hatte, Ermutigung zum Schreiben von Porträts und Reportagen, interessante Auslands-Pressereisen, auch als Reiseleiter.
Ich traf Erich zuletzt immer wieder in der Innenstadt, und das Plaudern mit ihm war stets ein Lichtmoment im Problemjahr 2020. Ich habe einen väterlichen Freud verloren.
Maria Jost, Kathpress-Sekretärin von 1976 - 2019
Als Herr Leitenberger am 1. Jänner 1981 Chefredakteur und Geschäftsführer der Kathpress wurde, blieb ich und wurde seine Sekretärin, wie zuvor bei seinem Vorgänger Prof. Richard Barta (1911-1986). Es folgten viele gemeinsame Jahre guten Zusammenarbeitens - Zeiten mit Freude ebenso wie Zeiten mit viel Stress.
Was die Arbeit prägte, war gegenseitige große Wertschätzung: Herr Leitenberger stand mir beim plötzlichen Tod meines Bruders und meiner Eltern zur Seite, wofür ich ihm besonders danken möchte. Ebenso wusste er, dass auf mich wie ein "Fels in der Brandung" Verlass war, wann immer er mich brauchte. So auch, als er mir die Schlüssel seiner Wohnung anvertraute - in die er, wie in sein Innerstes, keinen Menschen blicken ließ. Ich habe diese bis zu seinem Tode gestern treu verwaltet.
Lieber Herr Leitenberger! Sie werden mir unendlich fehlen, der liebe Gott möge Ihnen alles vergelten! Danke von Herzen für alles! Rest in peace! Ihre Maria
Quelle: kathpress