Kfbö-Vorsitzende: Kirche braucht mehr Geschlechtergerechtigkeit
Geschlechtergerechtigkeit ist ein Schlüsselbegriff, wenn die Kirche ihrem Auftrag nachkommen will, das in Christus verheißene Heil je neu erfahrbar zu machen: Darauf hat die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreich (kfbö), Angelika Ritter-Grepl, am Montagabend in einem Online-Vortrag im Rahmen der Linzer Severin-Akademie 2021 hingewiesen. Sie ortete eine positive Entwicklung durch die jüngste Änderung des Kirchenrechts, die Laienchristinnen und -christen hinsichtlich des Dienstes als Lektor/in und Akolyth/in gleichstellt und forderte dazu auf, weitere strukturelle Änderungen zu setzen. Doch noch hänge die Kirche alten, wissenschaftlich widerlegten Geschlechterstereotypen nach und stütze damit eine auch gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen, so Ritter-Grepl.
Dabei bekenne sich die katholische Kirche wiederholt und klar zur grundsätzlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern und beklage die Diskriminierung der Frauen in Würde und Recht, erklärte die kfbö-Vorsitzende. Zentrale Forderungen des Feminismus seien über die kirchlichen Frauenbewegungen und die feministische Theologie "auch in der Kirche angekommen". Die Einsicht, "dass die sozialen, ökologischen und ökonomischen Fragen der Welt untrennbar mit der strukturellen Benachteiligung von Frauen zusammenhängen", spiegelt sich laut Ritter-Grepl auch in der Formulierung von Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Laudato si", wo er mit Blick auf Wirtschaft, Ökologie und Armut festhielt: "Alles hängt mit allem zusammen."
Ritter-Grepl ist Absolventin eines Studiums der kritischen Geschlechter- und Sozialforschung an der Uni Innsbruck und bezeichnet sich selbst als "katholische, fromme Feministin". Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in der Geschlechterfrage leide durch die strukturelle Benachteiligung von Frauen im eigenen Bereich, sagte die kfbö-Vorsitzende. Sie beklagte das lehramtliche Festhalten an überkommenen, wissenschaftlich unhaltbaren Rollenzuschreibungen und Aufgabenverteilungen: "Nur Männern steht grundsätzlich der Zugang zu allen Rechten und Funktionen der Kirche offen."
Als positives Signal wertete Ritter-Grepl vor diesem Hintergrund das Motu propio vom 10. Jänner, mit dem der Papst von Laienchristen übernommene liturgische Aufgaben auch für Frauen öffnete. Dieser Schritt sei "nicht hoch genug einzuschätzen", so die Vortragende. "Das erste Mal folgt die Kirche der Denk-Figur: Gleiche Würde begründet gleiche Rechte!" Eine Ordnung nach Geschlecht sei nun im Bereich der Laien obsolet, und die Taufe, nicht das Geschlecht bilde die Grundlage für die Ausübung des Dienstes.
Auswirkung auch auf Weiheämter
"Auf die Dauer wird sich das auf die Begründungszusammenhänge im Bereich Weiheämter auswirken", prognostizierte Ritter-Grepl eine Änderung auch bei den Zugangsbestimmungen zum Priestertum und Diakonat. Insgesamt verbleibe die Kirche jedoch in einer Haltung der "Bewahrung von traditionellen Geschlechterverhältnissen, die Frauen diskriminieren". Dabei übersehe sie ihre Verantwortung, "wie sie durch die eigene Struktur die furchtbaren Auswirkungen von patriarchalen Geschlechterordnungen auf die Frauen stützt", kritisierte die kfbö-Vorsitzende.
Solange die Kirche an dieser soziologischen Gestalt festhält, müsse sie sich die Frage gefallen lassen: Wie kann sie zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen, wenn sie diese in der eigenen Struktur nicht lebt? Die Kirche stabilisiert laut Ritter-Grepl patriarchale Geschlechterverhältnisse, ja sie liefere "Patriarchatsverteidigern" sogar eine Legitimation für deren Agitation.
Die Offenheit unter den Gläubigen für einen Kurswechsel in Richtung umfassende Geschlechtergerechtigkeit wäre nach Überzeugung der kfbö-Vorsitzenden gegeben: "Frauen mit priesterlichen Aufgaben sind akzeptiert. In der pastoralen Praxis gibt es bemerkenswerte Aufbrüche, die nicht an das Geschlecht der handelnden Personen gebunden sind." Papst Franziskus wolle Frauen besser in die kirchlichen Leitungsämter einbinden und fordere dazu auf, erinnerte Ritter-Grepl. "Was uns darum nicht erspart bleibt, ist die Notwendigkeit der Bearbeitung der Ämterfrage und der Weihefrage, weil Leitung mit der Weihe verknüpft ist." Sie sei "dankbar für jeden Diözesanbischof, der in einen fruchtbaren Streit einsteigt und dann die entwickelte Praxis nach Rom trägt und dort Veränderungen einmahnt", hielt die kfbö-Vorsitzende mit Blick auf den heuer noch anstehenden Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe in Rom fest.
Quelle: kathpress