Corona-Krise macht auch Kirchenmusik schwer zu schaffen
Die bald einjährige Corona-Krise macht auch der Kirchenmusik schwer zu schaffen. Wo es über Gottesdienste in normalen Zeiten oft hieß: "Wer singt, betet doppelt", ist laut der geltenden Rahmenordnung der Bischofskonferenz "derzeit nur der Gesang von Solisten bzw. Kantoren möglich, welche wenigstens die notwendigen Gesänge übernehmen sollen", in den Bankreihen der Kirchen herrschte "Lockdown-Stille". Der Kirchenmusikreferent der Diözese Feldkirch, Bernhard Loss, und der Linzer Domkapellmeister Josef Habringer zeigten zuletzt in Interviews auf, mit welchen Schwierigkeiten gerade Chöre seit Monaten konfrontiert sind.
Keine Proben und keine Aufführungen seien derzeit für alle Kirchenchöre geltende Auflage, erläuterte der als oberster Kirchenmusiker Vorarlbergs für Organisten und Kirchenchöre in den 144 Pfarren zuständige Loss in den "Vorarlberger Nachrichten" ("VN", Wochenendausgabe). Dies "trifft alle in der Substanz", denn Singen und Musizieren in den Chören und Blaskapellen lebe von der Begegnung mit den Sängern, Musikern und Zuhörern. Und für die Kirchenmusik komme noch die Begegnung mit dem Göttlichen in der Liturgie dazu, wies der ausgebildete Musikpädagoge und Organist hin. Jetzt seien diese Begegnungen seit Längerem nicht möglich und ein Ende sei nicht absehbar.
Dass sich mancher Sänger seit dem ersten Lockdown an probenfreie Abende gewöhnt hat und überlegt, mit dem Chorsingen überhaupt aufzuhören, "ist verständlich", meinte Loss. Dazu komme der steigende Altersdurchschnitt in den Chören und nicht zuletzt die Krise der Institutionen, die sich in Kirchenaustritten äußere. Die Zahl der Kirchenchöre in der Diözese Feldkirch mit ihren insgesamt ca. 3.500 Sängerinnen und Sängern geht laut dem Kirchenmusikreferenten "langsam, aber kontinuierlich" zurück.
Seine Aufgabe sieht Loss derzeit darin, die Vorarlberger Kirchenmusiker über Veränderungen der gültigen Regelungen möglichst schnell zu informieren "und ihnen für ihre individuellen Probleme ein offenes Ohr zu schenken". In normalen Zeiten unterstütze er die Arbeit der ehrenamtlich in den Gottesdiensten Tätigen auf vielfache Weise: Information, Beratung bei Chorleitersuche, Chorliteratur und Orgelangelegenheiten, Organisation von Weiterbildungsveranstaltungen. Die Kirchenchöre motiviert Loss trotz der momentanen Schwierigkeiten zum Durchhalten, wie es in den "VN" hieß.
Von wegen "Kulturnation Österreich"
"Für die Chorlandschaft ist es eine Katastrophe", bestätigte auch der Linzer Domkapellmeister und Chorleiter Josef Habringer im Gespräch mit der Linzer "KirchenZeitung" (aktuelle Ausgabe). Dass neben dem Singen auch die Gemeinschaft fehlt, sei besonders in der Advent- und Weihnachtszeit spürbar gewesen.
Dass immer wieder die "Kulturnation Österreich" beschworen wird, halte er mittlerweile für ein Klischee, wie Habringer anmerkte. In seinem Heimatbundesland Oberösterreich etwa stehe nicht die Kultur im Vordergrund, sondern die Digitalisierung und Wirtschaftsförderung. "Die Kinder sollen schon im Kindergarten mit dem Computer vertraut werden, dabei sind Musik, Singen, Bewegung und In-den-Gatsch-Hüpfen viel wichtiger für die kindliche Entwicklung", argumentierte der Domkapellmeister mit Erkenntnissen der modernen Hirnforschung.
Vergessen werde bei all dem, dass Kultur - in Form von Musik, Kunst und Theater - "Nahrung für die Seele" sei. Nicht umsonst habe Dirigent Ricardo Muti beim Neujahrskonzert die Regierenden und in Millionen-TV-Publikum aufgefordert, Kultur immer als eines der Hauptelemente zu betrachten, "um eine bessere Gesellschaft und eine bessere Zukunft zu formen."
Kirchenmusik macht viele dankbar
Dementsprechend habe Habringer immer wieder die schöne Erfahrung von großer Dankbarkeit gemacht, wenn Musizieren und Singen bei liturgischen Feiern möglich war. Er berichtete von Mitfeiernden im Gottesdienst, Sängerinnen und Sängern, Instrumentalisten, die sich nach Gottesdiensten überschwänglich bedankt hätten. Was fehlt, wenn nicht musiziert werden könne, sei gerade jetzt vielen bewusst geworden, so Habringer. Von den Musikern, Chorleitern und Dirigenten werde viel an Flexibilität verlangt: kleine Ensembles, neue Stücke, andere Probenorte stehen an der Tagesordnung. "Doch viele können gar nicht proben, weil - anders als im Mariendom - der Platz für Sänger/innen und Besucher/innen einfach zu klein ist", erklärte der Domkapellmeister. Habringer habe immer alle Möglichkeiten ausgeschöpft, strenge Sicherheitskonzepte hätten den Rahmen vorgegeben. Mit Erfolg: "Bei uns ist nie etwas passiert."
Nach Recherchen der "KirchenZeitung" verzeichnete der Chorverband Österreich vor Corona ca. 100.000 Sänger und Sängerinnen, rund 18 Prozent davon singende Kinder und Jugendliche. Es gibt hierzulande ca. 3.500 Chöre, davon 40 Prozent gemischte, 20 Prozent Männerchöre, 4 Prozent Frauenchöre, 14 Prozent Kinder- und Jugendchöre und 22 Prozent Kirchenchöre.
Quelle: kathpress