Theologe: "In Europa werden Menschenrechte mit den Füßen getreten"
Einen Aufruf zur Aufnahme von Schutzsuchenden aus dem Flüchtlingslager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos hat die überkonfessionelle Initiative "Solidarregion Weiz" gestartet. Konkret möchte die Kampagne "fünf Familien mit gültigem Asylstatus aus Lesbos im Bezirk Weiz aufzunehmen", erläuterte der Initiator der "Solidarregion Weiz" und Gründer der auch für Flüchtlinge engagierte gemeinnützige GmbH "Way of Hope", Fery Berger. "In Europa werden Menschenrechte mit den Füßen getreten", daher sei es wichtig - trotz Corona-Pandemie - nicht auf die Ärmsten zu vergessen, erläuterte Berger im Kathpress-Gespräch die Motivation der Solidarregion.
Die gegenwärtige Situation im Flüchtlingscamp sei unerträglich und stünde im Widerspruch zu den europäischen Menschenrechten, mahnten die Initiatoren der Initiative. Die Solidarregion schließe sich damit der Forderung von Bischof Hermann Glettler an, die Bundesregierung möge, so schnell wie möglich, 100 Familien von Kara Tepe nach Österreich holen.
Dringend gefordert sei eine konkrete Hilfe für die Betroffenen; Stellungnahmen und Resolutionen seien angesichts der aktuellen humanitären Krise auf Lesbos zu wenig. "Es muss jetzt gehandelt werden", appellierte Berger.
Große Hilfsbereitschaft in Österreich
Die am Donnerstag gestartete Aktion werde bereits quer durch die Gesellschaft unterstützt, wies der "Way of Hope"-Gründer hin. So gebe es Angebote von Privatpersonen und Vereinen die Flüchtlingsfamilien finanziell zu unterstützen; andere hätten Wohnraum zugesagt. "Es würde eine große Hilfsbereitschaft von Menschen in Österreich geben, wenn man denn etwas tun dürfte."
Es könne angesichts der lang anhaltenden Corona-Pandemie auch "psychisch guttun" anderen zu helfen, meinte Berger. Trotz einer coronabedingten gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Betroffenheit in Österreich, müsse man sich vor Augen halten, dass "die Mehrheit der Menschheit ständig in Krisensituationen, wie Hunger oder Armut, lebt", wies der Initiator der "Weizer Pfingstvision" hin.
Minusgrade am Wochenende
Die Lage der Flüchtlinge im Lager Kara Tepe in Griechenland bezeichnete Berger als "katastrophal". Anders als Moria sei Kara Tepe auf Lehmboden gebaut, sodass das Wasser nicht abfließen könne. Es gebe keine Heizung, Strom nur am Tag und zu wenige Sanitäranlagen. Für das Wochenende seien erstmals Minusgrade vorausgesagt, so Berger. Die Situation der Schutzsuchenden spitze sich damit nochmals zu.
Als PR-Aktion der Bundesregierung kritisierte Berger, die Ankündigung eine Tagesstätte für 500 Kinder auf Lesbos errichten zu wollen. Dies sei verkündet worden, "noch bevor die griechische Regierung ihre Zustimmung dazu gab", so der "Way of Hope"-Gründer. Einerseits könnten dadurch traumatisierte Kinder, die von ihren Müttern getrennt werden, wieder traumatisiert werden; andererseits müssten Familien so schnell wie möglich, aus diesen menschenunwürdigen Zuständen herausgeholt werden, wies Berger hin.
Auch der von der Bundesregierung oft erwähnte "Pull Effekt", sei mit einer kleinen, humanitären Aktion, wie vonseiten der Solidarregion Weiz, "mit Sicherheit nicht gegeben". Der Theologe verwies dabei auf Deutschland, das aktuell 1.500 Menschen von Lesbos evakuiere.
Die "Solidarregion Weiz" wurde von 2006 von Berger als zivilgesellschaftliche Basisinitiative gegründet. Mittlerweile hat sich daraus ein überparteilicher und überkonfessioneller Verein entwickelt, der jährlich u.a. den "Solidarpreis" an Menschen und Organisationen für innovative solidarische Projekte vergibt.
Breite Unterstützung für Aufnahme
Auch die Katholische ArbeitnehmerInnen-Bewegung Österreich (KABÖ) appellierte am Samstag in einem offenen Brief an die Bundesregierung, "Menschen aus den Elendslagern aufzunehmen". Unterlassene Hilfeleistung sei in anderen Kontexten sogar ein Strafdelikt, mahnte die KABÖ. "Jedes weitere Zuwarten ist unerträglich und eine Schande für uns selbst, für Österreich, für ganz Europa."
Wie auch Fery Berger, wies auch die KABÖ darauf hin, dass eine große Zahl an Menschen, Gemeinden, Pfarren und Organisationen imstande und bereit seien zu helfen. Die katholischen Arbeitnehmer forderten die Bundesregierung daher auf, "diese konkreten Angebote nicht länger zu behindern, sondern endlich die nötigen Schritte einzuleiten, um Familien, Frauen und Kinder aus dem Elend zu holen".
Zuletzt hatten u.a. der Bischofskonferenz-Vorsitzende Franz Lackner, Kardinal Christoph Schönborn und auch die Katholische Aktion Österreichs entsprechende Forderungen von Hilfsorganisationen zur Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt. Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler besuchte im Dezember die Insel Lesbos und machte sich vor Ort ein Bild vom Elend der tausenden Flüchtlinge an einem der "größten humanitären Katastrophenschauplätze Europas", wie er sagte.
Quelle: kathpress