Corona trifft Opfer von Menschenhandel besonders hart
Die anhaltende Corona-Krise zeigt die äußerst prekäre Lage von Menschen in der Prostitution und prekären Arbeitsverhältnissen auf. Sie seien die Ersten gewesen, die die coronabedingte Wirtschaftskrise getroffen hätte: "Auch wenn die Wirtschaft und die Unternehmen Verluste beklagen, die Krise trifft die Ärmsten am härtesten", betont die Ordensfrau, Sr. Anna Mayrhofer im Kathpress-Gespräch. Die Leiterin von "Solwodi Österreich" beobachtet aktuell eine Verschlimmerung bei irregulären Beschäftigungsverhältnissen sowie bei Fällen von Arbeitsausbeutung. "Bei vielen geht es ums schiere Überleben", schlägt auch der Wiener Verein "Herzwerk", eine Initiative für Menschen in Prostitution mit Sitz in Wien, Alarm.
"Auch in Zeiten der Corona-Krise findet Menschenhandel und Ausbeutung weiterhin statt", mahnt Sr. Mayrhofer. Die Menschenrechts- und Frauenhilfsorganisation "Solwodi", die von heimischen Ordensgemeinschaften getragen wird, bietet Frauen und Migrantinnen, die Opfer von Menschenhandel, sexueller Gewalt und Ausbeutung geworden sind, Beratung und Schutzwohnungen an.
"Zu uns kommen Frauen, die weder in das Kurzarbeitsmodell fallen, noch Förderungen erhalten, oder in Abhängigkeitsverhältnissen zu ihrem Arbeitgeber stehen", berichtet die Ordensfrau der Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens. Aktuell gebe es auch Fälle schwangerer Frauen, die ihre irregulären Arbeitsplätze verloren hätten oder sich aus ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen befreien konnten. In solchen Situationen helfe "Solwodi" mit Schutzwohnungen. Wegen der Corona-Maßnahmen gebe es aber kaum Beschäftigungs- oder Fortbildungsmöglichkeiten für die Frauen.
Betroffene von prekären Arbeits- oder Abhängigkeitsverhältnissen würden etwa in Schlachthöfen, der Landwirtschaft, der Gastronomie aber auch "versteckt in vielen Haushalten arbeiten". Für sie könne bereits die Frage nach einer Sozialversicherungsnummer im Zuge der Corona-Massentests eine Hürde darstellen. "Viele trauen sich nicht mehr hin", weiß Sr. Mayrhofer. Vor allem Frauen würden sich aktuell mehr und mehr zurückziehen; "sie sind verschwunden", so die Ordensfrau.
Prostituierte in der Krise
Aufgrund der Schließungen der Prostitutionsstätten während der Lockdowns und mangels Alternativen müssten Prostituierte ihren Unterhalt seit Monaten durch Erspartes oder Geliehenes bestreiten. Betroffene würden so in vulnerable Situationen und Abhängigkeiten geraten, mahnt der Verein "Herzwerk". Schon vor Corona sei für viele das Leben hart gewesen, doch die Krise verstärke die prekäre Lage weiterhin. Betroffene stammen teils aus Rumänien, Ungarn, China, Nigeria und Bulgarien; viele leben ohne gültigen Aufenthaltstitel, ohne Sozialversicherung oder Anspruch auf staatliche Unterstützung in Österreich.
Hilfe erhalten die Betroffenen seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 etwa durch Lebensmittelgutscheine, Hygieneartikel sowie Second-Hand-Kleidung, die der Verein verteilt, berichtet Herzwerk-Leiterin, Julia Obergfell. Herzwerk arbeitet seit 14 Jahren mit Menschen in der Prostitution und ist dafür regelmäßig in den rund 360 Prostitutionsstätten Wiens sowie auf dem Straßenstrich unterwegs.
Als problematisch würden sich aktuell auch die coronabedingten Reiseeinschränkungen erweisen, wegen der Prostituierte teils nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, erläutert Christina Spellitz, leitende Sozialarbeiterin bei Herzwerk. Auch das Geld werde knapp: Einige Prostituierte seien schon vor der Corona-Krise hoch verschuldet gewesen und "wissen nicht weiter", wieder andere möchten aus Angst vor dem Virus kaum für das Nötigste die eigene Wohnung verlassen.
Dringend erforderlich sind laut Obergfell und Spellitz ein Zugang zu unbürokratischer finanzieller Unterstützung für Menschen in der Prostitution sowie ärztliche Versorgung ohne Krankenversicherung. Benötigt würden auch kostengünstiger Wohnraum sowie konkrete Ausstiegshilfen und Arbeitstrainings für Menschen, die aus der Prostitution heraus wollen oder die gar Betroffene von Menschenhandel sind. Diese Angebote seien nötig, da "Klientinnen von stark ausbeuterischen Verhältnissen und von Gewalterleben in der Prostitution" berichten, so Spellitz.
Menschenhandel auch während Corona aktiv
Kritik am Umgang mit Prostituierten während der Corona-Pandemie kommt auch von der Salvatorianerin Sr. Maria Schlackl. Der "Tatbestand Menschenhandel" und dessen vielfachen Verstrickungen und Auswirkungen - auch in der Prostitution - werde auch in der Corona-Krise tabuisiert, mahnt die Ordensfrau. Schlackl leitet die Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel - aktiv für Menschenwürde in Oberösterreich".
Betroffene hätten große Angst, sich an Hilfsorganisationen zu wenden. Selbst in Zeiten der wirtschaftlichen Krise sei der Ausstieg schwer, erläutert Sr. Schlackl. "Die Frauen sind kaum unbeobachtet und haben teilweise Todesängste." Hinzu komme Scham oder die Sorge, die eigene Familie nicht mehr unterstützen zu können. Letzteres komme vor, wenn Familien ihre Töchter "ins Ausland schicken, damit sie die Schulausbildung von Geschwistern oder dringend gebrauchtes Geld für Medikamente oder ärztliche Behandlungen finanzieren". Aus das sei eine Form von Menschenhandel und Zwang, betont Schlackl.
Die Formen der modernen Sklaverei, verursacht durch Menschenhandel, seien in Europa aber weitgehend unsichtbar. Der Umsatz der "Ware Mensch" wird von Schlackl auf jährlich 99 Milliarden US-Dollar geschätzt. Jedes Jahr würden mehr als 2,4 Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel und müssten die schlimmsten Formen wirtschaftlicher aber auch sexueller Ausbeutung erfahren. "Man kennt zwar circa die Zahlen, aber die Menschen dahinter bleiben unsichtbar", meint Sr. Schlackl.
Gemeinsam mit fünf weiteren Frauenorden haben die Salvatorianerinnen im Jahr 2010 den Verein "Solwodi Österreich" gegründet. Ihr Einsatz gilt besonders Frauen und Migrantinnen, die Opfer von Menschenhandel, sexueller Gewalt und Ausbeutung geworden sind.
Quelle: kathpress