Beiglböck: Corona lässt viele spüren "Es geht sich nicht mehr aus"
Viele der von der Corona-Pandemie hauptbetroffenen Menschen mussten schon vor der Krise knapp kalkulieren, "jetzt spüren sie: Es geht sich nicht mehr aus". Das hat der Direktor der Caritas Steiermark, Herbert Beiglböck, in einem "Kleine Zeitung"-Interview am Christtag erklärt. Viele Betroffene hätten ihre Geldreserven aufgebraucht, viele seien auch müde geworden, "die sozialen Kontakte nehmen ab, die Einsamkeit nimmt zu". Es gebe Menschen, die darauf mit Spenden von Geld und Lebensmittel reagieren oder sich ehrenamtlich engagieren. Andere wiederum würden die Schutzmaßnahmen nicht mittragen und seien nicht bereit zu teilen. Solidarität sei nicht einfach da, so Beiglböck, "oder anders gesagt: Wir als Gesellschaft müssen neu üben, auf den Anderen zu schauen."
Als besonders von der Krise betroffene Gruppen nannte der Caritas-Chef alleinerziehende Frauen, die womöglich durch Kurzarbeit nicht genug verdienen, um damit die Kosten für Wohnen, Lebensmittel und Schule abzudecken. Auch andere mit geringem Einkommen, etwa Pensionistinnen, könnten sich nicht mehr wie früher etwas mit Putzen dazuverdienen. Aber auch Selbstständige seien betroffen, berichtete Beiglböck: "Ich habe beispielsweise in der Notschlafstelle in Leoben einen Fotografen getroffen, der normalerweise zweihundert Hochzeiten pro Jahr fotografiert, heuer waren es 10."
Die Caritas helfe mit Zuschüssen fürs Wohnen und für Energiekosten, aber auch mit Lebensmitteln. "Derzeit verteilen wir steiermarkweit sieben Tonnen Lebensmittel pro Woche", so Beiglböck. Auch die Nachfrage in der Existenzberatung sei stark angestiegen.
Die Caritas gehe davon aus, dass künftig noch mehr Menschen nicht am ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Daher brauche es dringend dauerhaft geförderte Arbeitsplätze. "Zuletzt hat es mit der Aktion 20.000 und 50 plus zwei Initiativen gegeben, durch die wir Menschen wieder in den Arbeitsmarkt hineinführen konnten", wies Beiglböck hin. "Ich denke, so etwas wäre volkswirtschaftlich wieder gut vertretbar. Die Alternative wäre ja Arbeitslosigkeit und das Ausbezahlen der Mindestsicherung."
Fälle in Pflegeheimen geben Rätsel auf
Zum Thema Pflegewohnheime, in denen gerade in der Steiermark während der Pandemie viele Todesopfer zu beklagen waren, äußerte dich der Caritas-Direktor "ziemlich ratlos". Im Frühjahr, als noch keine Schutzkleidung und wenig Wissen von Covid-19 vorhanden waren, "hatten wir kaum Infektionen". Nun gebe es genügend Schutzkleidung und Tests, "und trotzdem haben wir Häuser, in denen es viele Infektionen gibt". Die Caritas stehe in der Spannung zwischen umfassendem Schutz und dem Anliegen, dass Pflegewohnhäuser lebenswert sind. Deshalb seien Besuche ermöglicht worden, sagte Beiglböck. "Denn wir haben nichts davon, wenn die Leute zwar nicht an Covid-19, aber an Vereinsamung sterben. Diese Gefahr sehe ich auch."
Impfpflicht werde es in den Heimen keine geben, auch nicht für die Mitarbeiter der Caritas. Er hoffe jedenfalls, dass sich möglichst viele impfen lassen werden, so Beiglböck. "Ich denke, wir haben durch Covid gelernt, dass wir verletzlich sind, dass wir unser Leben mit einem gewissen Risiko gestalten müssen." Bei der Impfung sei der zu erwartende Nutzen bei Weitem höher als das nicht ganz auszuschließende Risiko.
Quelle: kathpress