Altabt Henckel-Donnersmarck: "Kirche in Europa ist erschlafft"
Die Kirche in Europa ist erschlafft und im Gegensatz zur wachsenden Kirche in Afrika, Asien und Teilen Lateinamerikas nicht mehr im Wachstum, sondern am Schrumpfen. Dies düstere Fazit hat der Heiligenkreuzer Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck in einem Interview in der "Wiener Zeitung" (24. Dezember) gezogen. Die Kirche könne aber auch ohne Frauenpriestertum und verheiratete Priester weiter bestehen, wenn sie sich "auf ihre zentralen, wichtigen Botschaften konzentriert und sie verkündet". Die katholische Kirche brauche sich "nur sehr wenig zu verändern", stellte der Ordensmann fest; denn trotz Frauenpriestertum hätte auch die evangelische Kirche "genau dieselben Probleme wie wir, obwohl sie beides kennt. Diese Randthemen sind für das eigentlich Entscheidende im Glauben belanglos."
Als Lehre aus bald drei Lockdowns bezeichnete er das gesellschaftliche Eingeständnis, "dass wir eben nicht alles können". Er selbst werde sich zudem gegen Corona impfen lassen, und auch Abt Maximilian Heim werde "zur Impfung motivieren, um ein weiteres Kloster-Cluster zu verhindern".
Die Grundbotschaft der Kirche laute zwar "Fürchtet euch nicht!", man solle Gott aber auch nicht durch bewusstes Fehlverhalten "auf die Probe stellen", meinte der ehemalige Missio-Nationaldirektor Austria im Blick auf die weltweit grassierende Corona-Pandemie, die auch vor dem Stift im Wienerwald nicht Halt gemacht hat. Henckel-Donnersmarck, der mit 77 Jahren zu sogenannten Risikogruppe gehört, hatte sich nach einem Corona-Cluster im Stift Heiligenkreuz, aus Sicherheitsgründen in Selbstisolation begeben.
Die Pandemie bringe eine Gedankenumkehr mit sich, "dass wir uns stärker darauf einstellen müssen, dass wir eben nicht alles können, wie es eine Mentalität der vergangenen Jahrzehnte war". Dazu gehöre auch der Regierung, den Wissenschaftlern, den Medien, Bill Gates "oder sonst wem" die Schuld für die Krise zu geben. In puncto Glauben hoffe er, dass die Corona-Krise die Menschen nachdenklicher mache.
Kirche in Corona-Krise solidarisch
Auf die Frage, ob die Kirche im Corona-Jahr 2020 zu "obrigkeitshörig" war, meinte Henckel-Donnersmarck wörtlich: "Ich glaube nicht. Ich sehe das als Akt der Solidarität und der Vernunft, dass man den Entscheidungen der Regierung zugestimmt hat." Zudem hätten Livestream-Gottesdienste ein völlig neues Gefühl der Feier der Heiligen Messe gegeben. "Dadurch kommt die Kirche mit Menschen und Familien in Berührung, die vielleicht jahrzehntelang keinen normalen Gottesdienst mehr besucht haben", meinte der Altabt.
Der Beschluss der Bischofskonferenz als Katholische Kirche im Zeitraum des Lockdowns keine öffentlichen Gottesdienste zu feiern, hätte auch nicht zu einem verstärkten Kirchenaustritt geführt, zeigte sich der Zisterzienser überzeugt. "Die Spreu trennt sich doch schon seit Jahrzehnten vom Weizen. Es werden immer weniger Katholiken, immer weniger Kirchenbeitragszahler. Diese Tendenz gibt es seit vierzig, fünfzig Jahren." Man dürfe das zwar nicht "wegleugnen", aber es sei ein europaweiter Trend.
Christen seien von Beruf her Hoffnungsträger, meinte der Altabt. Daher bringe auch die weltweit grassierende Corona-Pandemie nicht nur negatives: "Wir kämpfen auch dagegen an, aber Christoph Kardinal Schönborn hat immer wieder richtig gesagt: Die Hoffnung stirbt nie."
Papst wird nicht scheitern
Den Papst bezeichnete Henckel-Donnersmarck als sehr kritisch gegenüber Missbräuchen und Vergehen von Kardinälen im Vatikan. Eine pauschale Kritik am Vatikan wies der Altabt aber zurück. Der Papst sei aber auch kein auf vier Jahre gewählter Ministerpräsident, sondern Nachfolger Petri. "Er wird nicht scheitern, weil die Kirche nicht untergeht", betonte der Ordensmann, zudem werde es einen Nachfolger geben, "und es wird die Kirche bestehen". Und weiter: "Dass Europa an sich selbst zugrunde geht, ist kein Grund für die Kirche, zugrunde zu gehen", stellte der Altabt kritisch fest, der seine eine 12-jährige Amtszeit als Abt mit dem 10. Februar 2011 beendet hatte.
Heiligenkreuz schwimmt gegen Trend
Das Stift Heiligenkreuz zählt seit Jahren zu dem Kloster mit den meisten Ordenseintritten. "Und wir wissen selbst nicht, warum wir hier gegen den Trend schwimmen", stellte der Altabt fest. Aktuell gebe es auch zwei Neugründungen: eine im Ruhrgebiet, die 1988 begonnen hat, mit 15 Mitbrüdern; und seit zwei Jahren eine in Neuzelle in Brandenburg, wo sechs Mitbrüder ein Kloster wieder aufbauen.
Henckel-Donnersmarck verwies aber auch auf das Wiener Priesterseminar, das "erstaunlich viele Eintritte" verzeichne. "Zwar nicht so viele wie vor Jahrzehnten, aber doch mehr als in den vergangenen zwanzig Jahren." Es gebe also Gruppen, vor allem im städtischen und intellektuellen Milieu, wo der Glaube wieder wächst.
Quelle: kathpress