Glettler: Suizidbeihilfe-Urteil eröffnete "hochproblematischen Weg"
Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zur Suizidbeihilfe hat nach den Worten von Bischof Hermann Glettler die Tür für einen "hochproblematischen Weg" auf ein "unglaublich gefährliches Feld" geöffnet, was zulasten der Menschenwürde gehe. Es laufe darauf hinaus, dass "letztlich Menschen beurteilen, welches Leben noch lebenswert ist und welches nicht", warnte der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Lebensschutz zuständige Bischof in einer Online-Diskussion des Portals derstandard.at, über den die Diözese Innsbruck am Dienstag berichtete.
Schwerkranke und Hochbetagte könnten nach der richterlich verfügten Aufhebung des Verbots der Mitwirkung bei Selbstmord (§ 78 StGB) künftig den assistierten Suizid wählen, um Angehörigen oder Pflegenden nicht zur Last zu fallen, so eine Sorge des Innsbrucker Oberhirten. "Internalisierte Fremdbestimmung" drohe auch bei Druck auf Menschen, die an psychischen Krankheiten leiden, sich schuldig gemacht haben oder sich nur noch als "Kostenfaktor" sähen. Genauso bestehe die Gefahr, dass Angehörige von Menschen in schwierigen Lebensphasen deren Phasen der Verzweiflung und Einsamkeit künftig als Bitten um Hilfe zur Selbsttötung fehldeuteten, mahnte Glettler.
Es sei schwer, eine Grenze für "unerträgliches Leid" zu ziehen. "Sie merken hoffentlich selbst, was sich da für eine Tür auftut", sagte der Bischof in Richtung seines Diskussionspartners Wolfram Proksch. Der Anwalt, der das umstrittene VfGH-Urteil erwirkt hatte, hatte zuvor wiederholte Depressionen als denkbares Beispiel für einen vom Gesetzgeber legitimierten Einsatz des assistierten Suizids ins Spiel gebracht. Auch die Palliativmedizinerin Veronika Mosich vom Caritas Socialis Hospiz Rennweg und die Bioethikkommissions-Vorsitzende Christiane Druml beteiligten sich an der Debatte.
Zum Leben gehört auch ein Sterben-Dürfen
Er wisse aus seiner Seelsorge-Erfahrung, "wie herausfordernd es sein kann, wenn sich Menschen in äußerst schwierigen Lebensphasen befinden, und was dies auch für die Angehörigen bedeutet", unterstrich Glettler. Wichtig seien in solchen Fällen menschliche Nähe und ein "Netzwerk, das trägt". Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen hätten seiner Ansicht nach "vollkommen ausgereicht, um mittels Patientenverfügung und anderer Instrumentarien eine unwürdige Verlängerung des eigenen Lebens zu verhindern". Zum Leben gehöre auch ein Sterben-Dürfen, das durch "eine intensivmedizinische Behandlung um jeden Preis" nicht verunmöglicht werden sollte.
Suizid als einen zu unterstützenden Weg der Lebensbeendigung darzustellen "beschädigt eine bisher gültige Kultur des Lebens", kritisierte Glettler das VfGH-Urteil scharf. Dass das "Paradigma des Machens auch vor dem Sterben nicht Halt macht", sei gefährlich und es erschrecke ihn, "wenn wir alles im Griff haben wollen und uns dabei "auch das Leben nehmen", so der Bischof.
Durch ihre Aufforderung an den Staat, dem Urteil entsprechende Regelungen bis Ende 2021 zu schaffen und zugleich Missbrauch zu verhindern, hätten die Höchstrichter den Gesetzgeber "heillos überfordert", befand Glettler. Der "Schock", den viele durch das Urteil empfänden, müsse nun ein umso intensiveres Nachdenken darüber führen, was ein Leben und Sterben in Würde heute und in Zukunft bedeute. Der Bischof regte hier zur Einrichtung "breit aufgestellter Dialogforen" an. Diese sollten einen möglichst weiten weltanschaulichen und konfessionellen Querschnitt der Gesellschaft berücksichtigen und auch Pflegende von Schwerstkranken miteinbeziehen.
Quelle: kathpress