Schönborn: Kirche hat in Pandemie keinen Sonderstatus
Für die Kirche kann es in der Covid-Pandemie keinen Sonderstatus geben. Das hat Kardinal Christoph Schönborn im vorweihnachtlichen Kathpress-Interview betont. Die freiwilligen kirchlichen Einschränkungen hätten nichts mit Religionsfeindlichkeit vonseiten der Politik zu tun, sondern seien schlicht der gesamtgesellschaftlichen Solidarität geschuldet:
Der Lockdown gilt für uns alle. Wir müssen aufeinander schauen und das heißt auch, wir müssen das überall tun, zu Hause, in der Kirche, in den Betrieben und in den Geschäften.
Für die innerkirchliche Kritik von manchen Seiten, dass für einige Zeit öffentliche Gottesdienste ausgesetzt waren und werden, zeigte Schönborn kein Verständnis: "Das Jammern darüber empört mich", so Schönborn wörtlich:
Es empört mich, wenn ich daran denke, dass in den Flüchtlingslagern der Welt zahllose Menschen über Monate und Jahre von ihrer Religionsausübung abgehalten sind und keinen Trost eines gemeinsamen Gottesdienstes haben.
In Österreich seien die Kirchen immer offen. Es werde auch niemand daran gehindert, über Radio, Fernsehen oder Live-Stream an Gottesdiensten teilzunehmen. Dafür, dass die Sakramentenspendung eine Zeit lang nur in beschränkter Weise möglich ist, müsse man Verständnis aufbringen, so Schönborn:
Millionen von Menschen auf der Welt müssen oft jahrelang auf die Sakramente verzichten, aber sie können deswegen trotzdem ihre Beziehung zu Gott und ihre Nachfolge Christi leben.
Der Kardinal hob im Kathpress-Interview die gute Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen hervor. Alle gesetzten kirchlichen Maßnahmen seien zuvor mit der Regierung besprochen worden. Dabei habe die Bundesregierung sehr bewusst die Religionsfreiheit und die Selbstbestimmung der inneren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften respektiert. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften hätten sich ihrerseits auch untereinander immer ausgezeichnet abgesprochen, so Schönborn:
Es hat keine Ausreißer gegeben. Wir haben in Absprache mit der Regierung unsere Maßnahmen so gesetzt, dass wir sagen können, wir gehen verantwortungsvoll mit den Herausforderungen um.
Auf die Kirchenfinanzen angesprochen meinte der Kardinal, dass die Kirche auch im wirtschaftlichen Bereich keinen Sonderstatus habe. Viele hätten aufgrund er Pandemie mit großen Problemen zu kämpfen und auch die Kirche müsse 2021 wahrscheinlich mit geringeren Mitteln auskommen. Freilich befinde man sich hierzulande immer noch auf einem sehr hohen Niveau, so der Kardinal, der auf zahlreiche Hilferufe von Bischöfen aus Entwicklungsländern hinwies.
Terrornacht ließ Netzwerk der Hilfe entstehen
Im Blick zurück auf den Terroranschlag vom 2. November in Wien zeigte sich der Kardinal von der Reaktion der Gesellschaft sehr bewegt. Zum einen wolle er nochmals der Polizei seinen besonderen Dank aussprechen. Zum Zweiten habe es in jener Terrornacht unter der Bevölkerung unheimlich viel Solidarität gegeben. In kürzester Zeit sei in der Stadt ein Netzwerk der Hilfe entstanden.
Und zum Dritten seien die Religionen in dieser so schwierigen Situation wie selbstverständlich zusammengestanden. Schönborn verwies auf den Gedenkgottesdienst am 3. November im Stephansdom, zu dem neben Religionsvertretern auch fast die gesamte Staats- und Regierungsspitze gekommen war. Ebenso beeindruckend sei kurz darauf das spontane stille Gedenken der Religionsvertreter an den Stätten des Terrors in der Innenstadt gewesen.
Beeindruckt sei er auch vom Lichtermeer an Kerzen, das von der Bevölkerung bereitet wurde. "Niemand hat das angeschafft. Das entstand spontan und zeigt: Es gibt unendlich viel Gutes in unserer Gesellschaft; viel mehr als Böses."
Respekt vor dem Leben
Betroffen zeigte sich der Kardinal einmal mehr vom Entscheid des Verfassungsgerichtshofs, wonach assistierter Suizid in Österreich künftig nicht mehr verboten sein wird. Die Antwort darauf könne nur noch mehr menschliche Zuwendung und der Ausbau von Hospiz- und Palliativangeboten sein, so Schönborn. Eindringlich appellierte der Kardinal zum "Respekt vor dem Leben". Extremsituationen, in denen Menschen etwa furchtbar leiden, werde es immer wieder geben. "Aber Extremsituationen müssen als Extremsituationen behandelt werden und dürfen nicht die Basis für allgemeine Regelungen werden." Freilich dürfe es keine exzessive Therapie um jeden Preis geben und genauso sei auch der Einsatz von starken schmerzlindernden Medikamenten erlaubt, auch wenn diese die Lebensdauer verkürzen.
Auf seine eigene Gesundheit angesprochen meinte der Kardinal, dass er ein sehr schweres Jahr hinter sich habe. Aber er sei dankbar, dass er die Krebsoperation und den Lungeninfarkt gut überstanden habe und sich wieder "wirklich gesund" fühle.
"Ich höre nichts aus Rom"
Er sei allerdings auch froh, dass er im Frühjahr den Vorsitz der Österreichischen Bischofskonferenz nach 22 Jahren habe abgeben können. Und auf seine Nachfolge in der Erzdiözese Wien angesprochen, sagte Schönborn wörtlich:
Ich höre nichts aus Rom. Ich frage auch nicht in Rom. Ich habe das getan, was meine Aufgabe war. Ich habe meinen Rücktritt angeboten. Nun liegt es am Papst zu entscheiden, wann er dieser Bitte nachkommt.
Coronabedingt sei es in der vatikanischen Bischofskongregation wohl zu Verzögerungen gekommen, aber er sei in dieser Beziehung sehr gelassen, so der Erzbischof.
Jedes Ding hat seine Zeit. Auch meine Nachfolge. Und sie wird kommen, wenn es die richtige Zeit ist.
Er sei unglaublich dankbar für das, was er in 25 Jahren als Erzbischof von Wien habe erleben dürfen. Bei allen Schwierigkeiten und auch allen persönlichen Defiziten überwiege bei Weitem die Dankbarkeit. Denn letztlich sei es Gott, der alles füge, "und das wird er auch in Zukunft machen".
Das gesamte Interview ist u.a. als Podcast auf der Website der katholischen Kirche in Österreich - www.katholisch.at - abrufbar; weiters auch auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify.
Quelle: kathpress