Schönborn-Appell an Regierung: Flüchtlingsfamilien aufnehmen!
Kardinal Christoph Schönborn appelliert an die österreichische Bundesregierung, besonders schutzbedürftige Flüchtlingsfamilien von Lesbos aufzunehmen. In seiner Freitagskolumne in der Gratiszeitung "Heute" wie auch in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress verweist Schönborn zum einen auf die katastrophalen humanitären Zustände im Flüchtlingslager Kara Tepe II auf Lesbos und zum anderen darauf, das in Österreich "Bürgermeister, Gemeinden und Pfarren ihre Bereitschaft erklärt hätten, Familien aufzunehmen.
Die Menschen in diesen Lagern hätten fast immer dramatische Fluchtwege hinter sich, so der Kardinal in "Heute". Die Hoffnung auf eine menschenwürdige Zukunft halte sie aufrecht. "Wir können nicht alles Leid der Welt lösen. Aber das Klopfen der Herbergsuchenden sollten wir nicht überhören", appellierte der Kardinal an die politisch Verantwortlichen wie auch die Zivilgesellschaft in Österreich. Nachsatz: Auch Jesus sei einst ein Herbergsuchender gewesen.
Gegenüber Kathpress bekräftigte der Kardinal am Freitag seine Forderung: Eine humanitäre Katastrophe wie jene auf den griechischen Inseln müsse eine humanitäre Kraftanstrengung zur Folge haben. "Wenige Tage vor Weihnachten erleben wir auf europäischem Boden eine beispiellose Herbergssuche, bei der tausende Menschen - darunter sehr viele Familien und Kinder - in überfluteten Zelten ausharren müssen. Manche der Babys sind erst zwei Wochen alt. Hier geht es um Neugeborene", so der Kardinal. Er verwies auch auf den jüngsten Besuch des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler in Lesbos, der sich persönlich ein Bild von der Katastrophe machen konnte.
Österreichs Bischöfe hätten es in der Vergangenheit stets begrüßt, wenn die Bundesregierung oder jetzt die einzelnen Bundesländer Schritte gesetzt haben, um geflüchteten Menschen im Norden Syriens und auf den griechischen Inseln beizustehen. "Die Zusicherung finanzieller Hilfen und die Lieferung von Hilfsgütern ist richtig und hoffentlich Ermutigung für andere Staaten Europas, diesem Beispiel zu folgen", so Schönborn. Doch trotz intensiver Anstrengungen vieler EU-Staaten und zahlreicher Hilfsorganisationen und Initiativen vor Ort sei es bis heute nicht gelungen, die Situation der Menschen nachhaltig zu verbessern und einen menschenwürdigen Umgang mit Schutz suchenden Menschen sicherzustellen. Im Gegenteil: "Die Lage spitzt sich weiter zu."
Deshalb sein Appell an die österreichische Bundesregierung, neben der Hilfe vor Ort jetzt auch all jene Orte in ganz Österreich zu unterstützen, die sich bereit erklärt haben, Familien mit Kindern bei sich aufzunehmen. Österreich habe in der Vergangenheit immer wieder eindrucksvoll bewiesen, "dass es sich seiner humanitären Verantwortung bewusst ist". Österreich habe sich immer wieder an humanitären Aufnahmeprogrammen beteiligt, betonte der Kardinal und weiter: "Wir können und sollen an diese positive Erfahrung aus der Vergangenheit auch jetzt anschließen. Unsere gemeinsame Bitte lautet, jetzt dem Beispiel Deutschlands, der Schweiz und anderer europäischer Staaten zu folgen und den Schwächsten der Schwachen - etwa 100 Familien mit kleinen Kindern - Schutz und Herberge auch in Österreich zu geben."
Das Corona-Virus habe allen in den vergangenen Monaten sichtbar vor Augen geführt, "wie verletzlich auch unsere Gesellschaft und unser aller Leben sein können". Ein Leben in Sicherheit sei nicht selbstverständlich. "Diese Erfahrung sollte uns auch hellhörig bleiben lassen, wenn Menschen gezwungen sind, vor Krieg und Verfolgung aus ihrer Heimat zu fliehen", so Schönborn.
Derschmidt: Schweigen der Regierung ist "beschämend"
Scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik der Regierung und deren Weigerung, Flüchtlinge aus dem Lager Moria aufzunehmen, kam am Freitag auch vonseiten der Katholischen Aktion (KAÖ) : So unerträglich die Schilderungen seien, die die Zustände im Flüchtlingslager Moria betreffen, so "beschämend" sei die Ablehnung seitens der Regierung, Flüchtlinge aufzunehmen, betonte die Vorsitzende des Forums Beziehung, Ehe und Familie (FBEF) der KAÖ, Luitgard Derschmidt, in einer Aussendung am Freitag. "Berichte, wonach kleine Kinder in der Nacht von Ratten angenagt werden, müssen doch in jedem einigermaßen normal empfindenden Menschen Entsetzen auslösen", so Derschmidt. "Ganz zu schweigen von anderen Formen der Gewalt und Ausbeutung, der Kinder in solchen Umständen immer wieder ausgesetzt sind."
Ihr fehle daher auch "jedes Verständnis dafür, dass Österreich nicht dem Beispiel anderer europäischer Länder folgen und zumindest einige Dutzend Kinder und Familien aufnehmen kann", betont die Forums-Vorsitzende. Die Politik dürfe sich "weder blind noch taub stellen" für das Leid und Elend in den Lagern - und sie dürfe dabei im Übrigen auch die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher hinter sich wissen, die "mitmenschlich" denke, wie man an vielerlei Hilfsinitiativen für Flüchtlinge und einer "überwältigenden Spendenbereitschaft" etwa bei "Licht ins Dunkel" sehen würde.
"Wenn wir das christliche Abendland glaubwürdig verteidigen wollen, dann müssen wir auch christlich handeln. Jesus Christus ist Mensch geworden, damit diese Welt menschlicher wird", so Derschmidt abschließend.
Bischofsvikar: "Sofort und unbürokratisch helfen"
In den Reigen der Kritiker an der österreichischen Flüchtlingspolitik reiht sich nun auch der u.a. für Migrationsfragen zuständige Kärntner Bischofsvikar Hans-Peter Premur ein. "Die humanitäre Krise auf Lesbos hat eine Dimension angenommen, in der das Gewissen der Menschen nicht mehr stillhalten kann", heißt es in einer Stellungnahme des Bischofsvikars vom Freitag. Ein Aufschrei gehe durch das Land, den auch die Kirche teile.
Seit Monaten würden viele Menschen hierzulande spenden, um so Hilfe vor Ort zu leisten - da das aber offenbar nicht funktioniere oder genüge müsse "jetzt sofort und unbürokratisch geholfen werden". Kirche, Caritas und Pfarren sowie Privatpersonen seien bereit, Quartiere zur Verfügung zu stellen, so Premur.
Dankbarkeit gebühre diesbezüglich insbesondere dem Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, erinnerte der Bischofsvikar abschließend: Schließlich sei er es gewesen, der sich "aus der Deckung begeben" habe und "in die Problemzone nach Griechenland gefahren ist, um Klartext zu sprechen."
Quelle: kathpress