Innsbrucker Jesuiten-Rektor: "VfGH hat Tor zur Euthanasie geöffnet"
Kein Ende der kritischen Stimmen aus dem kirchlichen Bereich zum VfGH-Urteil, mit dem das Verbot des assistierten Suizids gekippt wurde: Mit dem Urteil einher gehe eine "fundamentale Veränderung dessen, was bisher in Österreich als richtig und falsch gegolten hat", so P. Christian Marte, Rektor des Jesuitenkollegs in Innsbruck, in einer Kathpress vorliegenden Stellungnahme. Bisher sei klar gewesen, dass Suizide hätten verhindert werden sollen. Jetzt bestehe ein Recht auf Selbsttötung, "für das ich auch die Hilfe eines Dritten in Anspruch nehmen darf", so der Ordensmann. Er warnt zudem davor, dass der VfGH mit dieser Entscheidung das Tor zur Euthanasie geöffnet habe.
Der Verfassungsgerichtshof hätte im Blick auf Suizidbeihilfe andere Möglichkeiten gehabt, so Marte: "Er hätte die Strafandrohung für die Assistenz beim Suizid aufheben können." Nun aber werde der Suizid eine grundrechtlich abgesicherte Option beim Sterben. "Und ich habe das Recht, dass andere mir dabei helfen", so der Ordensmann. Suizid werde eine gesellschaftlich akzeptable Form des Sterbens.
Die sogenannte "freie Selbstbestimmung", die vom VfGH grundlegend ins Feld geführt wird, gibt es für Marte nicht. Wenn nun die legale Möglichkeit des assistierten Suizids geschaffen ist, dann sei es unausweichlich, dass sich Menschen in schwierigen Situationen fragten: "Soll ich mich suizidieren?" Innerer Druck sei unvermeidlich, gerade wenn man anderen nicht zur Last fallen wolle. Das Ideal der freien Selbstbestimmung in Grenzsituationen sei in der Realität nicht zu erreichen, auch nicht durch gesetzliche Bestimmungen, so der Ordensmann.
An der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes sei weiters zu kritisieren, dass sie ausschließlich die freie Selbstbestimmung des Einzelnen betont. Autonomie realisiere sich aber immer mit anderen zusammen, so Marte:
Von einem Suizid sind immer mehrere Personen betroffen. Das Leid dieser Menschen wird durch den Verfassungsgerichtshof nicht beachtet.
Martes Resümee: "Mit dieser Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof das Tor zur Euthanasie geöffnet. Aus dem Recht auf Hilfe bei der Selbsttötung wird bald das Recht werden, von jemandem getötet zu werden. Wie sollen dann alte, kranke oder behinderte Menschen geschützt werden? Ökonomische Interessen werden sich durchsetzen."
Quelle: kathpress