Glettler gedenkt Innsbrucker Kriegsopfer und Flüchtlinge auf Lesbos
Mit einer Gedenkmesse, der Bischof Hermann Glettler vorstand, wurde am Samstag im Innsbrucker Dom an die Opfer der Bombenangriffe auf die Stadt im Zweiten Weltkrieg gedacht. Bei insgesamt 22 Luftangriffen auf die Tiroler Landeshauptstadt kamen 504 Menschen ums Leben, knapp 60 Prozent aller Wohnungen wurden dabei beschädigt oder zerstört, Tausende Menschen obdachlos. Nach Kriegsende gelobte die damalige Stadtregierung, jährlich einen Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer abzuhalten.
In seiner Predigt stellte Bischof Glettler die Verbindung zwischen Not und Elend im Krieg bzw. in der Nachkriegszeit und den vielen Nöten der Gegenwart her. Er lenkte dabei den Blick besonders auf das Flüchtlingselend auf den griechischen Inseln. Das Elend, das Innsbruck in den letzten Kriegsjahren und in der Nachkriegszeit erlebt hat, müsse heute auch sensibler für das Schicksal derer machen, "die mit vielen Ängsten und erlittenen Traumata vor den Toren Europas festsitzen", so Glettler und weiter wörtlich: "Jenseits aller politischen Rechthaberei und Auseinandersetzung müssen wir unbeirrt an einer Kultur des Miteinanders und der Achtsamkeit bauen - hier in Innsbruck und darüber hinaus."
Bischof Glettler erinnerte an seinen Besuch auf der Insel Lesbos vor wenigen Tagen. Dem Bürgermeister von Mytilini habe er die Grüße des Innsbrucker Bürgermeisters überbracht. Innsbruck habe sich ja schon vor einiger Zeit zur Aufnahme von Menschen aus den griechischen Lagern bereiterklärt. Im Gespräch auf Lesbos sei sehr deutlich die Enttäuschung und Erschöpfung der heimischen Bevölkerung benannt worden, berichtete der Bischof: "Lesbos und die benachbarten fünf Inseln, die vom Flüchtlingselend am meisten betroffen sind, fühlen sich von Europa vergessen." Der Bürgermeister von Mytilini wünsche sich eine größere Solidarität der EU-Mitgliedsstaaten in der Aufnahme der Flüchtenden. Glettler: "Denken wir bitte an die Situation in Innsbruck im Jahr 1945: Trotz der eigenen Notlage fanden Tausende Aufnahme. Heute sollte ein Bruchteil davon nicht möglich sein?"
Glettler blickte nochmals zurück in die unmittelbare Nachkriegszeit: Die Dramatik der Wohnungsnot sei verschärft worden durch die rund 100.000 Menschen, die sich zusätzlich zur einheimischen Bevölkerung in Tirol aufhielten: Neben den Angehörigen der Besatzungsmächte waren es die sogenannten Displaced Persons, Menschen, die der Krieg aufgrund ihrer Rasse, Religion oder politischen Überzeugung gezwungen hatte, ihre Heimat zu verlassen. Das bedeute, dass die Bevölkerung nur mehr etwa 56 Prozent des Wohnraumes zur Verfügung gehabt hatte. Es habe an allem gefehlt, auch an Holz und Kohle zum Heizen. Das "Leben" habe damals gerade im städtischen Bereich eher einem "Dahinsiechen" in Trümmern geglichen, so Glettler: "Es war ein täglicher Kampf ums Überleben."
Freilich: "Die Betroffenheit über dieses Schicksal der eigenen Stadt muss unseren Blick weiten", so der Bischof: "Unzählige Städte wurden durch den Zweiten Weltkrieg zerstört und Millionen Menschen getötet - alles verursacht durch eine ideologische Verblendung und das Vertrauen auf einen Führer, der den Tod gebracht hat."
"Schule der Wachsamkeit"
Den Advent bezeichnete der Bischof in seiner Predigt als eine "Schule der Wachsamkeit": "Das Wegschauen und Verdrängen einer oft bitteren Wirklichkeit geht nicht!" Andererseits dürfe der Blick auf das Elend der Zeit auch nicht zur Resignation und Verzweiflung verleiten. Diese könne sich in einer apathischen Haltung ausdrücken oder in einer permanenten Aggression gegen das Leben in seiner vielfältigen Gestalt. Der Advent sei dagegen "eine Zusage, dass eine bessere, gerechtere Welt möglich ist - wenn der Mensch sich seiner Wurzeln besinnt, seine Verletzlichkeit anerkennt und seine Zugehörigkeit zu Gott erneuert", so der Bischof und weiter wörtlich: "Advent ist eine Schule der Wachsamkeit. Sie wird uns geschenkt, wenn wir den Blick auf die Wirklichkeit wagen und zugleich in der Zuversicht bleiben, dass wir an einer neuen Welt nach dem Plan Gottes mitbauen können."
Quelle: kathpress