Sterbehilfe: Liberalisierung erhöht Druck auf Kranke
Wenn aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid legal werden, dann verstärkt sich der Druck auf Sterbenskranke und Alte diese "rechtzeitig in Anspruch zu nehmen": Davor haben der Grazer Ethiker Walter Schaupp und der ehemalige ÖVP-Behindertensprecher, Franz Joseph Huainigg, gewarnt. Hintergrund ist ein dieser Tage erwartetes Urteil des Verfassungsgerichtshofs zur Sterbehilfe. Eine schwierige Entscheidung, müssten die Richter zwischen dem Wert der Selbstbestimmung, und dem Lebensschutz, der eine in der Verfassung verankerte Aufgabe des Staates ist, entscheiden, bemerkte Schaupp, Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt, im "Sonntag Kärnten" (aktuelle Ausgabe).
Antragssteller beim VfGH sind vier Schwerkranke, die die Strafgesetzbuch-Paragrafen 77 ("Tötung auf Verlangen)" und 78 ("Mitwirkung am Selbstmord") zu kippen und somit den assistierten Suizid in Österreich ermöglichen wollen. Unterstützt werden sie dabei u.a. von der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas. In Deutschland ist die passive Sterbehilfe seit Februar 2020 erlaubt.
Auch die Folgen einer Liberalisierung müssten abgewogen werden, etwa den Schutz des Lebens gegen ökonomische Interessen, mahnte Schaupp. Hier gelte es wachsam zu bleiben "und zu schauen, ob die Entscheidung alter und vulnerabler Menschen beeinflusst wird". Als problematisch nannte er dabei der Weg in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, die sowohl den assistierten Suizid als auch die aktive Euthanasie zugelassen haben. Letzteres führe dazu, dass "früher oder später auch Menschen ohne Verlangen getötet werden können: Säuglinge und Komatöse". Für viele Staaten sei der assistierte Suizid daher eine Art "vertretbarer Mittelweg".
Sterbewünsche seien aber eine Realität, betonte der Theologe. Etwa in der Arbeit von Hospizbegleitern, die dabei die Erfahrung machten, "wie schwierig es ist, hier den Glauben ins Spiel zu bringen". Es dürfe daher nicht nur um Verbote gehen, sondern auch um die Frage, ob der Glaube hier zu einer neuen Sichtweise verhelfen könne. Ähnliches gelte auch für eine christliche Haltung in der Corona-Krise, die bedeute "solidarisch zu sein und sich verbunden zu fühlen mit denen, die mehr als andere gefährdet oder auch gefordert sind". Konkret bedeute dies nicht nur eine "Sorge um Infektionszahlen und Intensivbetten", sondern auch um eine Sorge um das Leben im umfassenden Sinn.
Tod als Geschäftsmodell
Der ehemalige ÖVP-Abgeordnete Huainigg forderte in einem Gastkommentar für den "Standard" (Freitag), Österreich dürfe nicht dem Schweizer Vorbild folgen, wo der Tod bereits zum "Geschäftsmodell" geworden sei. Er verwies dabei auf den stetigen Anstieg assistierter Suizide von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die sich in den Jahren 2009 bis 2014 mehr als verdoppelt hätten, bei einer etwa gleichbleibenden Zahl "normaler" Suizide.
Damit gilt laut Huainigg auch das oft vorgebrachte Argument nicht mehr, dass die Schweizer Auflagen für die Freitodbegleitung sehr hoch seien." Richtig ist, dass die Entwicklung in der Schweiz höchst problematisch ist und die Argumente der Befürworter widerlegen."
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen seien in Österreich für einen würdevollen Umgang mit dem Leid sterbenskranker Menschen bereits gegeben, meinte der ehemalige ÖVP-Abgeordnete. So gebe es gibt palliativmedizinische Therapien, mit denen Schmerzen am Lebensende behandelt werden können. Todkranke hätten damit mehr Möglichkeiten als den aktiven Suizid oder der Verweigerung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme.
"Wenn es um das Recht auf Leben geht, braucht es Klarheit für die Verhältnisse zwischen Patienten und Ärzten, zwischen Gepflegten und Pflegenden, zwischen jenen in Not und jenen, die diese Not noch nicht erfahren haben", stellte Huainigg fest. Dabei müsse auch das Argument, dass hier der Autonomie des Einzelnen der Vorrang vor dem Schutz des Rechtes auf Leben zu gewähren sei, überdacht werden. Dieses könne nämlich zu sozialen oder psychischen Zwänge führen, sogenannte rationale Argumente, bis hin zu "Kalkulationen" von Angehörigen oder der Gesellschaft und "letztlich dazu, dass die Entscheidung des Einzelnen keine freie mehr ist". Huainigg weiter: "Und durch die Auflösung des Schutzes auf Leben müssen sich jene, die auf externe Hilfe angewiesen sind, immer mehr rechtfertigen, überhaupt noch am Leben bleiben zu wollen."
Notwendig sei eine offene Debatte über den Tod, aber auch über ein Lebensende in Würde. Huainigg: "Aber nicht darüber, wie wir am besten töten sollen, sondern wie wir Menschen, die die Perspektive im Leben verloren haben, unter Schmerzen leiden oder vereinsamt sind, helfend zur Seite stehen können."
Quelle: kathpress