Kirchliche Stimmen zum Tag der Menschenrechte: Flüchtlingen helfen
Mehr Aufmerksamkeit für die Not von Flüchtlingen haben kirchliche Stimmen anlässlich des Tages der Menschenrechte am 10. Dezember gefordert. Der Integrationsbeauftragte der Diözese Graz-Seckau, Erich Hohl, wies darauf hin, dass schon davor gefährdete und benachteiligte Menschen auf der Flucht gerade in der Corona-Krise besonders zu leiden hätten. Die Flüchtigen auf der griechischen Insel Lesbos seien dafür in den vergangenen Monaten "zu einem verstörenden Sinnbild geworden", so Hohl in einer Aussendung am Donnerstag. "Erschüttert" von den dortigen "unhaltbaren Zuständen" zeigte sich auch Christoph Riedl, Asylexperte für Asyl der Diakonie Österreich, bei einem Lokalaugenschein vor Ort: "Warum fehlt es hier, drei Monate nach dem Brand, noch immer an allem?"
Erich Hohl nannte die Schreckenszahl von rund 80 Millionen Flüchtlingen weltweit, die derzeit unter Menschenrechtsverletzungen litten - "ein Gutteil davon ohne erkennbare Perspektive". Der Integrationsexperte beklagte einen Gewöhnungseffekt: "Nur besonders große, tragische oder langanhaltende Fluchtkatastrophen gehen uns nahe, oder Dramen, die sich an den Eingangstoren zu Europa abspielen."
Österreich könne die weltweite Flüchtlingsproblematik nicht lösen. "Schwer erträglich ist jedoch, dass ein reiches Land nicht einmal einigen Kindern und Jugendlichen helfen will", kritisierte Hohl mit Blick auf Lesbos, wo neben Not auch Gewalt herrsche. Die Haltung der heimischen Politik sei umso unverständlicher, als es Aufnahmeangebote von Gemeinden und Organisationen und "herzhafte Initiativen aus der Zivilgesellschaft" gebe.
Als Krisengebiete, die nicht übersehen werden dürften, nannte der steirische Integrationsbeauftragte auch die Kriegsregion Berg-Karabach und Weißrussland, wo demokratische Rechte von Präsident Alexander Lukaschenko "mit Füßen getreten und Demonstranten willkürlich eingesperrt" würden. Der Tag der Menschenrechte müsse Anlass sein, "nicht auf die internationalen Probleme zu vergessen und darüber nachzudenken, was man selbst für eine Verbesserung beitragen kann", betonte Hohl.
Diakonie: Flüchtlingslager evakuieren
Diakonie-Mitarbeiter Christoph Riedl schilderte aus Lesbos die dramatische Lage im neuen, provisorischen Flüchtlingslager auf Lesbos mit derzeit 7.500 Frauen, Männern, Kindern, Alten und Kranken, die nach dem Brand im Lager Moria Mitte September dorthin übersiedelt wurden. Die als Provisorium gedachten Zelte seien ungeeignet, dem Wind und Wetter in den Wintermonaten standzuhalten, auch die Regenrinnen dazwischen könnten die Wassermassen nicht aufnehmen: "Nach einem Tag Regen wie vergangenen Montag stehen große Teile des Camps unter Wasser und das Wasser rinnt durch die Zelte", schilderte Riedl. Die Kinder würden in ihrer durchnässten Kleidung frieren, viele Menschen würden täglich kränker.
"Es gibt bis jetzt keine ausreichende Essensversorgung, keine Duschen, die diese Bezeichnung verdienen und die hygienischen Umstände sind untragbar, Mütter mit Babys sind verzweifelt", berichtete Riedl weiter. Außerdem herrsche auch im Lager derzeit Lockdown: Nur wenige Menschen dürften das Camp verlassen, nur NGOs, die eine Erlaubnis haben, ins Lager hinein, "um den Menschen zumindest eine Mahlzeit pro Tag zu bringen".
"Wenn man diese inhumanen, menschenunwürdigen Zustände sieht und daran denkt, welche Infrastruktur internationale Hilfsorganisationen bei Erdbeben, Überschwemmungen und anderen humanitären Katastrophen in kurzer Zeit aus dem Boden stampfen können", müsse man sich ernsthaft fragen, so Riedl: "Warum beauftragt Griechenland nicht die internationalen Hilfsorganisationen, die Menschen auf Lesbos unmittelbar mit dem Nötigsten auszustatten? Warum wurden die vielen Hilfsgüter wie z.B. die der österreichischen Bundesregierung, die geliefert wurden, das viele Geld der EU, das bereitgestellt wurde, nicht längst eingesetzt?" Der bittere Schluss, zu dem der Diakonie-Experte kommt, ist, "dass die inhumanen Zustände auf Lesbos politisch gewollt und Teil der europäischen Abschottungs- und Abschreckungspolitik sind".
Die Diakonie forderte die sofortige Evakuierung solcher "unwürdigen und lebensgefährlichen Lager" und Aufnahmebereitschaft in anderen EU-Staaten. "Griechenland braucht sicherlich Unterstützung, aber auch den klaren Hinweis, dass solche Zustände keinen Platz in der Europäischen Union haben", schloss Riedl.
Quelle: kathpress