Wien: Ökumenisches Friedensgebet für Äthiopien und Eritrea
Im Zeichen der christlich motivierten Feindessliebe und Solidarität stand am Dienstagabend das Ökumenische Friedensgebet für Äthiopien und Eritrea in der Wiener Canisiuskirche. Die entscheidenden Verse aus dem fünften Kapitel des Matthäus-Evangeliums ("Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet") wurden auf Amharisch, Tigrinya und Deutsch proklamiert.
Prof. Rudolf Prokschi, der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, bezeichnete beim Friedensgebet diese Worte der Bergpredigt als "größte Herausforderung, ja Zumutung". Aber diese Herausforderung hänge zutiefst mit der Weihnachtsbotschaft von der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus zusammen.
Prokschi zitierte in seiner Predigt den Theologen Karl Rahner, der die Menschwerdung als das "letzte, tiefste und schönste Wort Gottes in die Welt hinein" definierte: "Dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch". Die Liebe Gottes sei durch Jesus Christus kundgemacht worden. Gerade im Hinblick auf die Feindesliebe zeige sich, dass diese Liebe "ohne Maß" sei und die menschlichen Grenzen sprenge, die sonst im Kleinen wie im Großen spürbar würden. Die Besinnung auf zentrale Aussagen des christlichen Glaubens bedeute, "bei Gott Maß zu nehmen".
Das Friedensgebet wurde vom armenisch-apostolischen Bischof Tiran Petrosyan und dem Wiener Weihbischof Franz Scharl geleitet. In den Fürbitten wurde von Vertretern der äthiopischen und eritreischen Gemeinden in Österreich dafür gebetet, "dass die Gemeinden in Gebet und Solidarität verbunden sind", aber auch "für alle Menschen, die vor Krieg und Gewalt, Armut und Hunger fliehen, dass sie Zuflucht und Heimat finden". Der Präsident von "Pro Oriente", Alfons Kloss, gedachte in seiner Fürbitte der verfolgten Christen.
Zu dem Gottesdienst hatten die Stiftung "Pro Oriente" und die Nationaldirektion für die katholische anderssprachige Seelsorge in Österreich in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft der afro-asiatischen und lateinamerikanischen Gemeinden in der Erzdiözese Wien geladen. Mitwirkende waren auch zwei in Wien tätige äthiopisch-orthodoxe Priester, Abba Zet Haimanot Deresu und Abba Birhanu Debebe, und ein eritreisch-katholischer Priester, Abba Yonas Yohanes Hagos, mit Vertretern aus ihren Gemeinden. Auch die äthiopisch-katholische Gemeinde war vertreten, die erst im Jänner einen eigenen Priester erhalten wird. Im Hinblick auf die Präsenz von Vertretern aus katholischen Ostkirchen war auch der Generalvikar für die Gläubigen der katholischen Ostkirchen in Österreich, Yuriy Kolasa, anwesend. Die Priester sangen Psalmen und Gebete aus ihren jeweiligen Traditionen. Das "Vater unser" wurde von allen Anwesenden gemeinsam in ihren Sprachen gebetet.
Ausschlaggebend für den Gottesdienst waren die bedrückenden Nachrichten über die blutigen Auseinandersetzungen zwischen äthiopischen Bundestruppen und der Regionalregierung der nordäthiopischen Region Tigray. Obwohl Addis Abeba offiziell ein Ende der Kämpfe proklamiert hat, scheint die Region nach wie vor von der Umwelt abgeschnitten zu sein. Die Zahl der Opfer der Kämpfe ist nicht bekannt, mindestens 40.000 Menschen sind in den Sudan geflüchtet, zugleich werden die rund 100.000 eritreischen Flüchtlinge in Tigray zur Rückkehr nach Eritrea gedrängt.
Angesichts der verworrenen Situation sollte mit dem Friedensgebet ein Zeichen aus der starken christlichen spirituellen Tradition der beiden Nachbarländer Äthiopien und Eritrea gesetzt werden.
Quelle: kathpress