"Die Furche" im Widerstand gegen "religiösen Analphabetismus"
Eine Lanze für fundierten und unabhängigen Religionsjournalismus bricht Ressortleiter Otto Friedrich in der Jubiläumsausgabe der seit 75 Jahren bestehenden christlichen Wochenzeitung "Die Furche". Er begründet dies u.a. mit dem zunehmenden "religiösen Analphabetismus" in der Gesellschaft. Im christlichen Bereich gelte es mittlerweile, Basisinformationen zu liefern, "denn das allgemeine religiöse Wissen verdunstet in großem Maß." Die Journalisten müssten Fakten über Religion vermitteln, die zum Verständnis von Gesellschaft, Kultur und Geschichte unabdingbar sind. Denn, so Friedrich:
Ohne Religionswissen kann man weder die europäische Literatur verstehen noch die Kultur oder die Geschichte. Von daher ist Religionsjournalismus auch eine ganz und gar didaktische Aufgabe geworden.
Damit allein damit ist es für den "Furche"-Redakteur allerdings noch lange nicht getan. Jede Religion biete ein Modell zur Existenzbewältigung an. "Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist das Gute, was die Sünde? Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es? Was ist der Weg zum wahren Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tode? Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?" Die Konsequenzen, die aus der Beantwortung dieser Fragen zu ziehen sind, zeitigen nach den Worten Friedrichs eine Fülle von Dimensionen - spirituelle, politische, ethische, soziale, theologische und noch viel mehr. Religionsjournalismus sei notwendig, um alle diese Facetten und deren Querverbindungen zu entdecken, aufzuspüren, darzustellen und kritisch zu hinterfragen.
Distanz zur Institution
Friedrich bedauert, dass es in Österreich nur wenige Religionsjournalisten gibt; und noch weniger, die nicht von einer religiösen Institution abhängig sind. Unabhängiger Religionsjournalismus habe aber ohne Rücksicht auf institutionelle Interessen die Religion und ihre Manifestationen im Blick. Das könne für die Institution durchaus schmerzhaft sein, so der Furche-Journalist mit Blick auf die Missbrauchskrise, die Kirchenaustritte oder die abnehmende Zahl an Priestern in der katholischen Kirche. Religionsjournalismus bedeute, "derartige Entwicklungen für Leserinnen und Leser aufzubereiten sowie neue Aufbrüche zu entdecken". Eben dies bedürfe aber der Distanz zur Institution, "denn hier gilt das Gleiche wie für den Journalismus allgemein: Wächter in den Entwicklungen zu sein und keineswegs die Abgründe unter den Teppich zu kehren - um der Gesellschaft als Ganzer und der Menschen willen."
Dazu gehöre zudem auch die Kenntnis der religiösen Voraussetzungen wie der Schriften und der institutionellen Verfasstheiten. Der Religionsjournalist müsse bischöfliche oder päpstliche Wortmeldungen ebenso nachvollziehbar einordnen können wie die Relevanz von Vorgängen in der Kirche. Und das gelte natürlich nicht nur für die katholische Kirche. Auch die protestantischen und orthodoxen Kirchen müssten im Fokus des Journalismus stehen.
Auseinandersetzung mit den Muslimen
Und schließlich: "Spätestens seit dem 11. September 2001 hat sich auch für den Religionsjournalismus die Lage neu ausgerichtet", erinnerte Friedrich an die damaligen Terroranschläge, die Geschichte schrieben. Damals sei mit dem dschihadistischen Islam ein weltpolitisch religiöser Player auf den Plan getreten, "der auch die Auseinandersetzung mit den Muslimen in unseren Breiten dringlich machte". Zusätzlich sei die durch Migration erstarkte islamische Community, mittlerweile die zweitgrößte Religionsgemeinschaft im Land, ein weiterer wichtiger Grund religionsjournalistischer Auseinandersetzung.
Friedrich: "Da der Islam insgesamt ein hochpolitisches Thema geworden ist, scheint es umso notwendiger, die religiöse Basis der Muslime ebenso zur Sprache zu bringen wie die Auseinandersetzungen mit und innerhalb der muslimischen Welt." Dass sich Religionsjournalismus - auch in der innenpolitisch aufgeheizten Lage wie zurzeit - einer besonderen Verantwortung gegenübersieht, dem grassierenden Halbwissen über den Islam entgegenzuwirken und alle wichtigen Aspekte und Konfliktfelder aufzubereiten, "macht die Arbeit des Religionsjournalisten brisanter, schwieriger - aber umso wichtiger".
Quelle: kathpress