Experten: Menschenwürde nicht auf Selbstbestimmung reduzieren
Ärzte, Seelsorger, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und Gesundheitspfleger aus unterschiedlichen Einrichtungen haben sich dieser Tage in einer gemeinsamen Stellungnahme an die Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) gewandt. Hintergrund sind die laufenden Verhandlungen am VfGH zur Legalisierung von Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Suizid. Man wolle aus der eigenen Erfahrung bzw. Praxis mit leidenden und sterbenden Menschen konstruktive Argumente in die Debatte einbringen, heißt es in einer Aussendung der Initiativgruppe am Montag. Ein zentrales Argument darin: "Menschenwürde lässt sich nicht auf Selbstbestimmung reduzieren."
"Die Beratungen des Verfassungsgerichts wie auch die öffentliche Debatte zu diesem Thema bedürfen dringend eines differenzierten Dialogs anstelle einer oft plakativen Pro-Contra-Debatte", so Theresa Stampler, Theologin und Leiterin des Bereichs Seelsorge und Spiritualität der Caritas der Erzdiözese Wien. Sie fungiert als Sprecherin der Gruppe, der u.a. auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Ordenseinrichtungen angehören. Kritisch würden die Experten vor allem die Reduktion des Begriffs der Menschenwürde auf die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes sehen. Menschenwürde könne "weder erworben, hergestellt oder verfügt noch verloren, abgesprochen oder zerstört werden". Menschenwürde komme einem Menschen bedingungslos zu, weil er als Mensch geboren wurde - ohne jede Entscheidung oder sonstige Mitwirkung durch ihn selbst oder eine andere Instanz. Die Würde eines Menschen unterliege auch keinen sonstigen Wertmaßstäben. "Es gibt kein Mehr oder Weniger an Menschenwürde", halten die Experten fest.
In der Stellungnahme an den VfGH würden Beispiele aus der Praxis angeführt, um diesen Standpunkt zu verdeutlichen: "Um die Würde der zu Betreuenden gerade in kritischen Lebensmomenten zu stärken, braucht es mehr als nur die individuelle Entscheidungsfreiheit zu betonen." Es brauche aus der Erfahrung der Experten heraus "strukturelle Rahmenbedingungen, in denen leidende und sterbende Menschen ihre Würde spüren und leben können". Die Experten plädieren für eine verstärkte Entwicklung einer "Sorgekultur in unserer Gesellschaft". Es sei sonst absehbar, dass der Druck auf Arme und Hoffnungslose steige und das "sozialverträgliche Frühableben" sich bewahrheiten könne.
Quelle: kathpress