Innsbrucker Theologe: Corona-Krise kann nicht mit Gott erklärt werden
Die Corona-Pandemie kann nicht auf Gott zurückgeführt werden, im Sinne einer Strafe, sondern konfrontiert die Menschheit mit einer "radikalen Kontingenz": Das hat der Innsbrucker Dogmatiker Roman Siebenrock im Zuge der dreitägigen Online-Tagung "Corona verstehen"" an der Uni Innsbruck betont. Die "Corona-Zeit" sei aber auch für die Katholische Kirche "einzigartig", meinte der Theologe. So habe es niemals zuvor einen so umfassenden und lang dauernden liturgischen Lockdown nicht nur in Rom, sondern fast weltweit gegeben. Und auch in den Erklärungen zur Situation kam klar zum Ausdruck, "dass mit dem Wort 'Gott' die Situation nicht direkt kausal zu erklären ist", sagte Siebenrock am Donnerstag in seinem Vortrag "(Die Heilige) Corona" als Krisenbeschleunigerin.
Gott könne nicht als "Deus ex machina" eingesetzt werden, um die Situation zu erklären, zitierte der Leiter des Instituts für Systematische Theologie an der Universität Innsbruck den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Die Situation sei dadurch ausgezeichnet, "dass wir keine Ahnung haben, wie wir diese Herausforderung bewältigen können".
Siebenrock glaubt nicht, dass es theologisch schnelle Antworten auf die Fragen geben werde, die sich durch die Pandemie stellten: "Ich bin der Meinung, dass wir die Sprachlosigkeit dieser Zeit sehr notwendig haben. Vielleicht kann erst die nächste Generation die richtigen Schlüsse daraus ziehen." Dennoch plädierte der Theologe für "eine ökumenische, vielleicht interreligiöse Synode, in der wir fragen, was ist unsere Aufgabe und Verantwortung in dieser Welt?".
Siebenrocks Vortrag erfolgte im Rahmen des Panels "Gefährliches Gottvertrauen? Religionsgemeinschaften in Zeiten von Corona" - eines von insgesamt 16 Panels - der bis Freitag dauernden Tagung. Neben dem katholischen Theologen sprachen auch noch der evangelische Superintendent Olivier Dantine, der Islamwissenschaftler Zekirija Sejdini und Thomas Lipschütz von der Israelitischen Kultusgemeinde. Moderieren wird Dirk Rupnow, Dekan der Innsbrucker Philosophisch-Historischen Fakultät.
Dantine: "Wir können uns nicht aus der Pandemie herausbeten"
Der evangelische Superintendent der Diözese Salzburg/Tirol, Olivier Dantine, sieht die Religionsgemeinschaften in der Pflicht, in der Corona-Krise Aufklärungsarbeit zu leisten - gerade was Wissenschaftsskepsis und Verschwörungstheorien anbelangt: "Wir können uns nicht aus der Pandemie herausbeten. Das ist den allermeisten klar, aber leider eben nur den allermeisten." Gerade in fundamentalistischen Kreisen aller Religionsgemeinschaften sei zu beobachten, dass das Infektionsgeschehen verharmlost werde. Wichtig sei dagegen zum einen, die Grenzen kirchlichen Handelns anzuerkennen. Zugleich gehe es aber darum, Halt zu geben in einer Situation, in der viele Menschen mit der Zerbrechlichkeit und Unverfügbarkeit des Lebens konfrontiert seien.
Leben zu erhalten sei eines der grundsätzlichen Gebote des Judentums, unterstrich Thomas Lipschütz von der Israelitischen Kultusgemeinde Tirol und Vorarlberg. Das impliziere das eigene Leben, aber auch das von anderen Menschen und Lebewesen, was gerade jetzt in der Pandemie schlagend werde.
Das Aussetzen aller gemeinschaftlichen Gebete in der Corona-Krise sei nicht nur durch medizinische und politische Vorgaben begründet, sondern auch durch Aussagen des Propheten Mohammed, unterstrich Zekirija Sejdini, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Innsbruck und für Islam in der Gegenwartsgesellschaft an der Universität Wien. So habe Mohammed angeordnet, wenn in einem Land eine Epidemie ausbreche, solle man es nicht betreten, wenn sie aber schon ausgebrochen sei, solle man es nicht verlassen. Zudem sollten Menschen mit ansteckenden Krankheiten Gesunde nicht besuchen. Diese Worte seien auch von Politikern in mehrheitlich muslimischen Ländern aufgegriffen worden.
Quelle: kathpress