Dompfarrer Faber: "Wir ziehen uns nicht in die Sakristei zurück"
Die Kirche macht während des Lockdowns zwar bei den Sicherheitsvorkehrungen mit, "aber wir ziehen uns nicht in die Sakristei zurück". Das hat der Wiener Dompfarrer Toni Faber im Interview der Zeitung "Österreich" (Mittwoch) mit dem Hinweis veranschaulicht, es gebe verschiedene Wege, "um mitzuteilen: 'Gott ist nach wie vor für dich da.'" Im Stephansdom würden Gottesdienste per Livestream übertragen, er versuche über Telefon und Internet die Menschen zu erreichen und sei physisch bei Begräbnissen präsent. Die Aufgabe der Kirche in Corona-Zeiten sehe er darin, "Nächstenliebe ohne physische Zusammenkünfte" zu zeigen. "Wir dürfen keinen Lockdown der Herzen zulassen", betonte Faber.
In einer Situation, da viele Menschen über die Einschränkungen und die Unsicherheit klagen, versuche er in der Seelsorge eine "Grundmelodie der Dankbarkeit" wachzurufen. Auch angesichts einer Pandemie gebe es noch gute Gründe, dankbar zu sein: "Dass ich noch gesund bin. Dass Mitmenschen wieder gesund geworden sind. Dass unser Gesundheitssystem noch immer funktioniert. Dass wir die Möglichkeit haben, einander beizustehen", nannte der Dompfarrer einige Beispiele.
Scharf distanzierte sich Faber von kursierenden Verschwörungstheorien und Virus-Leugnern: "Wer heute nicht an Corona glaubt, der hat ja den Hausverstand verloren." Verrückte gebe es immer, die sich in etwas verrannt haben. "Aber es gibt auch immer die Möglichkeit zur Umkehr."
Auf die Frage, ob so etwas wie die Pandemie die Menschen auch "besser" machen könne, verwies Faber auf das neue Buch des Mediziners und Theologen Johannes Huber. Es ermutige dazu, mehr Herzensfrieden und mehr Glück im Leben dadurch zu erlangen, "dass wir an unseren Tugenden feilen" und nicht nur im Fitnessstudio den Körper trainieren, sondern auch den Charakter. "Diese Übung wird in Pandemiezeiten noch wichtiger: Wie gehe ich mit Belastungen um?", so Faber. Es gelte nicht nur Belastungen zu betonen, sondern gerade jetzt "all das zu machen, was uns möglich ist".
"Werke der Barmherzigkeit" vollbringen
Bereits am Sonntag hatte Toni Faber dies in seiner wöchentlichen Kolumne im "Kurier" konkretisiert: Der Gottesdienstbesuch allein mache noch keinen guten Christen, eine hervorragende Möglichkeit, ein christliches Leben zu führen, seien die sogenannten sieben leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit: Hungrige speisen und Durstigen zu trinken geben könne man z.B. ehrenamtlich in pfarrlichen Caritas-Stellen; Fremde zu beherbergen und Nackte zu bekleiden sei "ein ständiger Aufruf an die Christen in Europa, ihren Wohlstand nicht nur ängstlich zu verteidigen", schrieb Faber. Bei den geistigen Werken schwinge die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit: Unwissende lehren, Zweifelnden raten, Trauernde trösten, Sünder zurechtweisen. Zu einem "Corona-Programm der Extraklasse" gehöre auch, jenen zu verzeihen, die uns Leid zufügen, Lästige zu ertragen und für alle beten.
Im "Österreich"-Interview berichtete Faber als jemand, der im Herzen Wiens lebt und arbeitet, wie er die Zeit nach dem Terroranschlag vom Allerseelentag erlebe: Die immer noch Tausende von Kerzen an den Tatorten drückten eine riesengroße Sehnsucht aus, "dem Hass nicht mit Hass zu begegnen, sondern auf das zu setzen, was den Hass überwinden kann: Das ist die fürbittende Liebe, die Bereitschaft zur Vergebung, einen Neuanfang zu setzen." Staatliche Ordnung und Sicherheit würden gebraucht, so der Dompfarrer. "Aber das, was Leben schafft, ist nicht die Gewalt."
Er selbst habe jüngst "auch bewusst dort eine Kerze angezündet, wo der Attentäter gestoppt und getötet worden ist", erzählte Faber. "Unser Hass gebührt ihm nicht. Wir müssen diesem Hass eine andere Kraft entgegenstellen - die Kraft der Vergebung, des Neuanfangs."
Quelle: kathpress