"Gottesdienst-Lockdown": Theologe lobt Religionen für Kooperation
Der Grazer Moraltheologe und Mediziner em. Prof. Walter Schaupp zollt den Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich Anerkennung für ihre gemeinsam ausgehandelte Bereitschaft, während des Lockdowns auf öffentliche Gottesdienste zu verzichten. In der gegenwärtigen Situation sei es "zu begrüßen, wenn nicht jede Religionsgemeinschaft möglichst die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen versucht, sondern man bereit ist zu einem gemeinsamen Agieren". Insgesamt geht es aus der Sicht Schaupps um "Solidarität als ein Mittragen von Lasten, die keiner tragen will". Mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Infektionsstatistik zähle dabei jeder Versuch, Kontakte zu vermindern.
Der Theologe äußerte sich am Donnerstag in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress. Er stellte sich damit auch hinter die Entscheidung der österreichischen Bischöfe, die Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung freiwillig mitzutragen. Dies war zuletzt etwa vom Wiener Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück als allzu willfährig gegenüber der staatlichen Gesundheitspolitik kritisiert worden. Dazu Schaupp: Natürlich könne man sich auf einer verfassungsrechtlichen Ebene auf freie Religionsausübung berufen, wie Tück sie ins Spiel bringt. "Auf einer persönlichen Ebene stellt sich aber die Frage, ob der Verzicht auf die erwähnten 'Konzerte' für manche Menschen nicht ebenso einschneidend sein kann, wie der Verzicht auf den Gottesdienst für religiöse Menschen", gab Schaupp zu bedenken. In einer säkularen Gesellschaft zu leben bedeute ja nicht, dass die Menschen außerhalb der institutionalisierten Kirchen keine existenziellen oder spirituellen Bedürfnisse hätten.
Dass Tück die "Selbstverständlichkeit der Entscheidung" der Bischöfe über das Aussetzen von Gottesdiensten problematisiere, anerkennt sein Grazer Kollege. Diese Maßnahme sei tatsächlich einschneidend "und es ist gut, wenn sichtbar wird, dass sie weh tut". Auch der Hinweis, dass es wenig Evidenz gibt, dass katholische Gottesdienste zu "Superspreader-Ereignissen" werden, stimme wohl, so Schaupp, der früher auch als Turnusarzt tätig war.
"Politik agierte bislang im Wesentlichen richtig"
Nicht nachzuvollziehen sei jedoch der "heftige Vorwurf", die Kirche mache sich einfach zum "verlängerten Arm staatlicher Gesundheitspolitik". Das klinge nach unvernünftiger Gefolgschaft gegenüber einer nicht zuverlässigen, ideologisch gefärbten Gesundheitspolitik. "Nüchtern betrachtet hat 'die Politik' bislang im Wesentlichen aber doch richtig reagiert", auch wenn es immer wieder Korrekturen brauche, wie Schaupp feststellte.
Die Frage, wie die Kirche in der Corona-Krise von der Gesellschaft wahrgenommen wird, ist nach Ansicht des Moraltheologen eine durchaus wichtige: "Hier geht es zentral um Kommunikation und Symbolik. Es darf nicht um den besten Platz im Kampf um Ausnahmen gehen, sondern um kreative und innovative Lösungen, als Kirche wahrnehmbar und lebendig zu bleiben." Und dabei gehe es um mehr als um die Gottesdienstfrage, betonte Schaupp. Auch die bisherigen Maßnahmen hätten schon tief ins Leben der Gemeinden eingegriffen und "das Potenzial, bleibende Spuren zu hinterlassen".
Quelle: kathpress