Polak: Debatte über politischen Islam belastet interreligiösen Dialog
Mit scharfer Kritik an der Debatte über den Begriff des "politischen Islam" und Forderungen nach einem "harten" interreligiösen Dialog angesichts des islamistischen Terroranschlags von Wien hat sich die Theologin Prof. Regina Polak zu Wort gemeldet. Wenn von christlich-theologischer Seite öffentlichkeitswirksam wiederholt eine Art Selbst-Rechtfertigung der Muslime gefordert werde und Kollegen aus der eigenen Fakultät - so etwa Prof. Jan-Heiner Tück gemeinsam mit dem evangelischen Theologen Prof. Ulrich Körtner - Konsequenzen für den interreligiösen Dialog fordern, so würden Spaltungen verschärft und "pauschale Stigmatisierungen" befördert, schreibt Polak in einem Blogbeitrag auf theocare.network: Im interreligiösen Dialog "jahrelang aufgebaute Vertrauensverhältnisse sind bedroht".
Die permanente Forderung "Rechtfertigt Euch!" würde ein Klima generieren, "in dem man mit Muslimen zwar diskutieren, aber nicht leben und auch wenig erreichen kann", so Polak. "Mit Verhärtungen auf allen Seiten, mit der Zuspitzung von Konflikten und weiterer Gewalt ist zu rechnen. Christlich-islamische Dialogprojekte werden nachhaltig irritiert und beschädigt." Die Kritik Polaks richtet sich dabei sowohl auf das ihres Erachtens bewusste Ausblenden bereits erreichter Dialogziele und Erklärungen islamischer Autoritäten zum Terror als auch auf "Stil, Habitus und Form" der christlich-theologischen Stellungnahmen. "Ob gewollt oder nicht: Unterstützt wird so eine deutlich um sich greifende 'Politik der Härte', die durchgreifen soll."
Zum Thema Distanzierung von Gewalt gibt es laut Polak bereits zahlreiche Stellungnahmen - von Bischöfen über die Islamische Glaubengemeinschaft in Österreich bis hin Papst Franziskus und dem Kairoer Großimam Ahmad Mohammad Al-Tayyeb. Diese hatten in ihrer gemeinsamen Erklärung von Abu Dhabi im Februar 2019 festgehalten: "Deshalb bitten wir alle aufzuhören, die Religionen zu instrumentalisieren, um Hass, Gewalt, Extremismus und blinden Fanatismus zu entfachen. Wir bitten, es zu unterlassen, den Namen Gottes zu benutzen, um Mord, Exil, Terrorismus und Unterdrückung zu rechtfertigen."
Es sei "erstaunlich", wie wenig diese und auch andere Dokumente und Erklärungen zum interreligiösen Dialog seitens der christlichen Theologie rezipiert werde. "Ein Grund mag am erkennbar sanfteren Stil, am weniger fordernden Habitus und an dialogischeren Formen liegen. All dies dürfte den Kritikern zu weich und zu freundlich sein."
Dialog braucht nicht nur höchste Ebene
Zudem ortet Polak eine Gender-Problematik: So seien es vor allem Frauen, die sich auf den verschiedensten Ebenen im und für den interreligiösen Dialog engagieren - der explizit theologische Dialog indes werde "auf beiden Seiten von älteren Männer dominiert". Polak: "Ein Schelm, wer hier an einen Geschlechter- oder gar Machtkonflikt denkt zwischen jenen, die einen gemeinsamen Alltag aufbauen, und jenen, die diesen dann nicht wahrnehmen, aber im Konfliktfall losstarten, um ihn zu beurteilen und zu bewerten."
Wer dagegen die wichtige Frage des "Politischen Islam" ernsthaft diskutieren wolle, der komme "um einen Dialog, der sich auf die Niederungen des Alltags einlässt", nicht umhin, so Polak. "Wer Dialog ernst nimmt, kommt auch nicht umhin, die jeweils andere Seite von dieser selbst her kennen- und verstehen lernen zu wollen. Theologinnen und Theologen sollten die Ebene des interreligiösen Alltags überdies in ihrer theologischen Dignität würdigen."
Quelle: kathpress