Schulschließungen: Caritas in Sorge um sozial benachteiligte Kinder
Eine neuerliche Schließung von Bildungseinrichtungen würde sich langfristig negativ auf die Bildungschancen gerade von sozial benachteiligten Kindern auswirken. Diese Sorge hat die Generalsekretärin der Caritas Österreich, Anna Parr, am Dienstag vor dem Hintergrund der Diskussion über weitere Lockdown-Verschärfungen geäußert. Parr führte dazu die im November veröffentlichte Wifo-Studie ins Treffen, wonach besonders jüngere und lernschwache Kinder sowie Kinder aus armutsbetroffenen Familien von Schulschließungen hart getroffen würden. Eine solche Maßnahme dürfe nur "als allerletztes Mittel der Wahl" ergriffen werden.
Vor deren kompletter Schließung sollte in den Schulen vorhandener Spielraum zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie genützt werden, appellierte die Caritas. Die Generalsekretärin nannte Unterricht in Kleingruppen, Aufteilung auf Vormittags- und Nachmittagsgruppen oder auch die Ausweitung der Mund-Nasen-Schutz-Regelungen als mögliche Maßnahmen.
Falls es aus Gesundheitsüberlegungen doch zu einer kompletten Schulschließung kommen müsste, braucht es laut Caritas eine entsprechende Vorbereitungszeit und Unterstützungsmaßnahmen vor allem für Kinder und Jugendliche, die in benachteiligten Verhältnissen aufwachsen. Es sei für ein Homeschooling erforderliches Umfeld mit Laptops und Internet zu sorgen, auch die Eltern bräuchten Hilfe dabei, mit der Doppelbelastung besser umzugehen.
Studien würden auch aufzeigen, dass die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Frühjahr durch soziale Isolation, Überforderung und Verunsicherung massiv gelitten hat. "Schule vermittelt nicht nur Wissen, sondern gibt Struktur und Sicherheit und ist für Kinder ein wesentliches soziales Umfeld", wies Anna Parr hin. Diese wichtigen sozialen Aspekte von Schule könnten "nicht so einfach in den virtuellen Raum verlagert werden".
Bildung ist nachhaltigste Armutsprävention
Dass viele Schüler während des ersten Lockdowns Bildungsrückstände aufbauten, lasse sich auch in den Caritas-Lerncafes in ganz Österreich beobachten. "Die Kinder konnten das in den Sommerschulen nur teilweise aufholen", so Parr. Dieses Problem stelle sich bei etwaigen Schulschließungen erneut: In vielen Familien teilten sich mehrere Kinder einen Laptop oder ein Tablet. Oft fehle es an einem ruhigen Platz in der Wohnung zum Lernen. Viele Eltern seien aus unterschiedlichsten Gründen überfordert, ihre Kinder zu unterstützen. All das würde die Bildungsschere noch weiter aufgehen lassen, warnte die Caritas-Generalsekretärin. Bildung sei die nachhaltigste Armutsprävention.
Hinzu komme für Eltern das Problem der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung. Für viele, die in systemrelevanten Berufen wie dem Handel und der Pflege arbeiten, sei kein Homeoffice möglich, erklärte Parr.
Auch Landau gegen Bildungs-Lockdown
"Viele Gründe, einen Bildungs-Lockdown zu verhindern", gibt es auch nach den Worten von Caritas-Präsident Michael Landau. Gegenüber der Gratiszeitung "Heute" warnte er am Dienstag davor, dass die Bildungsschere in der Krise weiter aufzugehen droht. Offene Schulen helfen nach den Worten Landaus aber auch dabei, die Pflege älterer Menschen während der Pandemie weiter aufrechtzuerhalten. Denn berufstätige Eltern könnten, sofern sie frei von Betreuungspflichten bleiben, weiter ihrer Arbeit nachgehen.
Aus Sicht der Caritas sei klar: "Die Schließung von Schulen darf nur das letzte Mittel der Wahl sein", betonte Landau und rief zum Schulterschluss bei der Krisenbewältigung auf: "Nicht nur die Politik, wir alle sind im Kampf gegen Corona jetzt gefordert, den Zusammenhalt in Österreich zu stärken."
Die Caritas leistet selbst einen nicht unerheblichen Beitrag zur Überbrückung der Bildungskluft in Österreich: In den bundesweit 54 Lerncafés werden Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 15 Jahren beim Lernen, bei den Hausaufgaben und der Vorbereitung für Schularbeiten kostenlos unterstützt. 95 Prozent der begünstigten Projekteilnehmenden hatten Migrationshintergrund; im abgelaufenen Schuljahr haben 96 Prozent aller lernmäßig Betreuten die jeweilige Schulstufe positiv abgeschlossen.
Quelle: kathpress